In Nordrhein-Westfalen sind am Wochenende bei den Protesten gegen Rechtsextremismus mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen. Kundgebungen fanden in NRW unter anderem in Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Köln und Münster statt. Bundesweit wurden allein für Samstag und Sonntag mehr als 90 Versammlungen gezählt, bei den Protesten gab es keine größeren Zwischenfälle.
Am Sonntag fanden allein in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens, in Köln, drei Versammlungen statt. Dort hatte das Bündnis „Köln stellt sich quer“ unter dem Motto „Demokratie schützen, AfD bekämpfen“ für den Mittag zu einer Kundgebung auf der Deutzer Werft eingeladen. Rund 70.000 Menschen kamen dort nach Angaben der Veranstalter zusammen. Die Polizei wollte die Zahl nicht kommentieren, bezeichnete sie aber als „nicht unrealistisch“. Vor der Kundgebung gab es zudem zwei Aufzüge, die unter anderem durch die Kölner Innenstadt führten. An den beiden Demos beteiligten sich mehrere Tausend Menschen, die zum Abschluss auch an der Kundgebung in Deutz teilnahmen.
Protestiert wurde am Sonntag auch in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Dort fanden einen Aufzug und eine Kundgebung auf dem Marktplatz statt. An dem Aufzug beteiligten sich laut Polizei rund 3.800 Menschen, zu der Kundgebung, die bis zum Abend dauern sollte, wurden bis zu 9.000 Personen erwartet.
Auch der NRW-Minister für Bundes- und Europa-Angelegenheiten sowie Chef der NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf, Nathanael Liminski, unterstützte die Proteste. „Die menschenverachtenden Pläne am rechten Rand treiben mich wie viele anderen Menschen in Deutschland um“, erklärte der CDU-Politiker im Vorfeld der Kundgebung in Bonn, auf der er auch reden wollte. Es sei gut, dass unzählige Bürgerinnen und Bürger im ganzen Land in diesen Tagen als aktive Demokraten quer durch die Republik für die Demokratie auf die Straße gehen, auch in Nordrhein-Westfalen.
In Dortmund kamen am Samstag laut Polizei rund 30.000 Demonstranten und in Wuppertal rund 10.000 Menschen zusammen. Zudem hatte es bereits am Freitagabend Proteste gegeben – so waren unter anderem in Münster rund 20.000 und in Bochum 13.000 Menschen gegen Rechtsextremismus und AfD auf die Straße gegangen. Weitere Versammlungen gab es unter anderem in Minden, Bielefeld und Detmold. Unterstützt wurden die Demonstrationen unter anderem von Gewerkschaften und Kirchen.
Auch in anderen Großstädten Deutschlands stießen die Aufrufe zu den Protesten auf große Resonanz. So versammelten sich laut Polizei rund 35.000 Menschen in Frankfurt am Main. In Hannover zählte die Polizei ebenfalls rund 35.000 Demonstranten. Am Freitagnachmittag wurde in Hamburg eine Versammlung von den Veranstaltern wegen der unerwartet hohen Teilnehmerzahl abgebrochen. Die Polizei hatte rund 50.000 Demonstranten gezählt.
Auslöser der bundesweiten Protestwelle ist eine Recherche des „Correctiv“-Netzwerks über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November in Potsdam. Dort war unter anderem über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen worden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) würdigte die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus als Verteidigung der Demokratie. „Das Herz unserer Demokratie schlug an diesem Wochenende auf unseren Straßen und Plätzen“, sagte Faeser der „Rheinischen Post“ (Montag) in Düsseldorf. „Dass mehrere Hunderttausend Menschen Gesicht zeigen und gerade jetzt unsere Demokratie aktiv verteidigen, das ist ein sehr ermutigendes Zeichen.“
Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, lobte die Demonstrationen als wichtiges Signal gegen wachsenden Extremismus. Er habe bislang das Gefühl gehabt, dass die hohen Umfragewerte und Wahlerfolge der AfD „niemanden hinter dem Ofen“ hervorlocken, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Nun sei er „erfreut, wenn Leute jetzt auf die Straßen gehen und ihren Unmut zum Ausdruck bringen“.
Der Extremismusforscher Andreas Zick sieht in den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus eine Stärkung der Demokratie. Dass die Kirchen, Richter und die Unternehmen, die länger still gewesen seien, nun die Proteste begleiteten, zeige zudem, dass dies kein Strohfeuer sei, sagte Zick in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd).