Der See lag still, die Sonne stand hoch – dieser Sommertag 2025 in Groß Trebbow bei Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern hat sich tief in meine Erinnerung eingebrannt. Zuerst ließen meine Frau und ich unsere Tochter Sophie taufen (Name geändert). Dann ging ich mit dem Pastor, dem Vikar und meinem Taufpaten tiefer ins Wasser. Ich habe mich wie vereinbart zurückfallen lassen, bin ganz untergetaucht – und mit einem Gefühl von Frieden, Dankbarkeit und innerer Klarheit wieder aufgetaucht. Es war mehr als ein Moment. Es war der Abschluss eines langen Weges – und zugleich ein Neuanfang.
Aufgewachsen in atheistischer Familie
Ich bin ohne Religion aufgewachsen. Meine Eltern, geprägt vom atheistischen Geist der DDR, hielten wenig vom Glauben. Doch ich hatte schon früh eine Sehnsucht danach. Ich setzte mich in Kirchen, um zur Ruhe zu kommen, sprach mit Mönchen, stellte Fragen, hörte zu. Ich war nicht auf der Suche nach Gott, aber auf der Suche nach etwas, das trägt. Immer wieder hatte ich den Eindruck: Christen haben etwas, das mir fehlte und worum ich sie beneidete: Halt im Leben. Sinn. Geborgenheit.
Später ging ich zwei Mal den Jakobsweg – nicht als religiös überzeugter Pilger, sondern als jemand, der Halt, Richtung und Sinn sucht. Ein drittes Mal will ich ihn bald mit meinem Sohn gehen, bewusst als Vater und als jemand, der vieles hinter sich gelassen hat.
Mein Leben ist nicht gradlinig verlaufen: die Kindheit von Gewalt geprägt, schwieriges Erwachsenwerden, Ausbildung, Bundeswehr, Abendgymnasium, Jurastudium – und schließlich der Entschluss, zur Polizei zu gehen. Heute arbeite ich im Landeskriminalamt, habe beruflich wie privat viel gesehen. Dinge, die schwer sind. Dinge, die bleiben. Aber auch Dinge, die heilen.
2012, während des Jurastudiums in Greifswald, lernte ich meine heutige Ehefrau kennen. Sie ist mit dem Glauben aufgewachsen. Ihre ruhige Überzeugung tat gut – sie drängte sich nicht auf, aber sie war da. Als 2018 unsere erste Tochter geboren wurde, wünschte meine Frau sich ihre Taufe. Ich war zuerst skeptisch: Darf man das für ein Kind entscheiden? Dann habe ich erkannt, dass sie ihr damit etwas zutiefst Wertvolles mitgeben wollte: Vertrauen. Geborgenheit. Ein spirituelles Zuhause.
Ruhe gefunden im Raum der Stille im Krankenhaus
Und dann kam Sophie. Sie war kaum geboren, da brach die Welt für uns zusammen: Intensivstation, lebensbedrohliche Unterzuckerung, Diagnosen, Prognosen: Von 80 Prozent Behinderungsgrad war die Rede. Wir waren am Boden, von Angst und Verzweiflung durchgeschüttelt. Wir haben gebetet, geweint, uns aneinander geklammert – im Raum der Stille in der Klinik. Das war der einzige Ort, an dem ich Ruhe finden konnte. Ein Raum zum Durchatmen und Hoffen, zum Glauben und Zweifeln.
Ja zur Taufe
Dort hat meine Frau auch gesagt: „Ich möchte Sophie taufen lassen – sie braucht einen Schutzengel.“ Meine Antwort war: „Dann lasse ich mich auch taufen.“ Nicht, weil ich gemusst hätte. Sondern, weil ich endlich bereit war, Ja zu sagen – zu meinem Weg, zu meinem Glauben, zu der Ahnung, dass ich getragen werde. Es war kein Bruch mit dem Alten, sondern das sanfte, späte Ankommen bei mir selbst.
Und dann geschah das, was wir kaum zu hoffen gewagt hatten und was auch die Ärzte verblüffte: Sophie wurde gesund. Heute ist sie über anderthalb Jahre alt – lebendig, fröhlich, voller Neugier auf die Welt. Ich weiß nicht, ob es ein Wunder im theologischen Sinne war. Aber ich weiß: Ich habe mein Wunder zu Hause. Und mit meiner Taufe das tiefe Gefühl, angekommen zu sein – in mir, in meiner Familie, im Glauben.
