Angesichts eines anhaltenden Dachverbände-Streits hat der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, die Haltung der Bundesregierung kritisiert. Im Interview der “Rhein-Neckar-Zeitung” (Dienstag) warf er dem SPD-geführten Innenministerium vor, trotz Zusagen kein Interesse an einem seit 2018 geplanten Staatsvertrag zu haben. “Offensichtlich sind in diesem Ministerium Kräfte am Wirken, die seit Langem eine Umsetzung verzögern und hintertreiben”, sagte Rose.
Besonders stört ihn, dass die 2021 neu gegründete Bundesvereinigung der Sinti und Roma in die Planungen miteinbezogen werden soll. Das Innenministerium hatte dies mit dem Hinweis auf ein “breiteres Spektrum der Vielfältigkeit” begründet. “Das ist absurd”, entgegnete der seit 1982 amtierende Gründungsvorsitzende des Zentralrats. Es sei “gänzlich unverständlich”, welche Bedeutung plötzlich dieser Bundesvereinigung beigemessen werde. Dieser “unbekannte Verein ohne Substanz” sei von Teilen der Grünen systematisch in die Gremien der Bundespolitik gehievt worden.
“Ich bin fassungslos, dass die Politik, mit der wir bisher seit Jahrzehnten konstruktiv zusammenarbeiteten, uns jetzt politisch aushöhlen und damit lähmen will”, so Rose weiter. Es sei stattdessen an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich die 40-jährige Leistung des Zentralrats mit einem Staatsvertrag würdige.
In der Bundesrepublik leben geschätzt 60.000 bis 100.000 Sinti und Roma. Die Minderheit ist seit Jahrhunderten in Deutschland heimisch. Viele ihrer Mitglieder wurden von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet. Auch nach 1945 gingen Diskriminierung und Anfeindung weiter. Seit 1995 sind die deutschen Sinti und Roma neben der dänischen Minderheit, den Friesen sowie den Sorben und Wenden als nationale Minderheit offiziell anerkannt.
Entscheidenden Anteil bei Aufarbeitung und Anerkennung hat der 1982 gegründete Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg. Die 2021 neu gegründete Bundesvereinigung der Sinti und Roma kritisiert den Zentralrat indes als undemokratisch. Er könne nicht allein für die vielfältige Gemeinschaft sprechen. Der Konflikt der Dachverbände ist inzwischen eskaliert. Er steht einem Staatsvertrag zwischen Bundesrepublik und Sinti und Roma sowie dem Neubau eines Bildungs- Kultur- und Dokumentationszentrums in Heidelberg im Weg.