Von Lisa Konstantinidis (epd)
Niedrigschwellig, inklusiv und einfach: Mit diesem Konzept will ein neuer Streamingdienst den deutschen Markt erobern. Wer nun an Netflix, Amazon Prime Video oder Disney Plus denkt, irrt. Es geht um eine andere Zielgruppe: die der (potenziellen) Gottesdienstbesucher. Seit rund zwei Wochen ist die Online-Plattform unsergottesdienst.de im Netz Inzwischen streamen dort 30 Kirchen aus 7 Bundesländern ihre Gottesdienste. Aus Brandenburg der Kirchenkreis Zossen-Fläming.
Gottesdienste ohne Schwelle
Die Idee hinter dem Angebot ist simpel: einen offenen, niedrigschwelligen und inklusiven Zugang zu Kirche schaffen. Ein Bereich, in dem Wytze Kempenaar und seine Kollegen einigen Nachholbedarf sehen: „Kirche ist häufig ein Gebäude mit geschlossenen Türen, Hinweise auf Gottesdienste finden sich auf
Plakaten oder Internetseiten, aber ich kann nicht einfach mal reinschauen. Es gibt immer eine bestimmte Schwelle, die aktiv übertreten werden muss.“ Und dann seien da noch die älteren Menschen, die es nicht mehr in ihre Gemeinden schafften. Damit auch sie an Gottesdiensten teilnehmen können, brauche es häufig Ehrenamtliche, die mit einfachen technischen Mitteln eine Übertragung ins Netz ermöglichen.
Der Online-Dienst will genau an dieser Stelle ansetzen und einen professionellen Auftritt mit geringem Aufwand für Kirchengemeinden ermöglichen, wie Kempenaar sagt. Gleichzeitig soll so auch eine jüngere Zielgruppe angesprochen werden: Menschen, die nicht mehr am Standort ihrer Kirchengemeinde leben oder unabhängig von Zeit und Ort an Gottesdiensten ihrer Gemeinden teilnehmen möchten.
Plattform für jeden Glauben
Ein Konzept, das in den Niederlanden bereits seit 15 Jahren funktioniert. Die größte niederländische Audio- und Video-Streaming-Plattform für Kirchen, Kerkdienstgemist, nutzen heute rund 1900 Kirchen. Der deutsche Ableger unsergottesdienst.de basiert auf einer Zusammenarbeit zwischen dem großen Bruder aus den Niederlanden und dem jungen Magdeburger Start-up Amos IT der drei Gründer Wytze Kempenaar, Marie Sirrenberg und Florian Bühnemann. Das gemeinsame Ziel ist ambitioniert: Der Dienst soll in Zukunft Gottesdienste von 60 bis 70 Prozent aller deutschen Kirchen streamen. Und: Geht es nach den Machern, soll das Angebot nicht nur auf christliche Angebote begrenzt bleiben, sondern auch anderen Glaubensgemeinschaften eine Plattform bieten.
Ambitionierte Ziele, auch mit Blick auf die Konkurrenten im Netz: Gemeinden streamen schließlich seit längerem via Youtube oder Facebook. Zudem gibt es bereits ähnliche Plattformen im Netz, die sich explizit dem Streaming von Gottesdiensten verschrieben haben. Die Betreiber von unsergottesdienst.de schreckt das nicht. „Kirchen haben auch eine datenschutzrechtliche Verantwortung“, betont Kempenaar. Bei der Nutzung von Youtube oder Facebook sei der Datenschutz fragwürdig.
Ihr Streamingdienst nehme zwar von den teilnehmenden Kirchen eine monatliche Abo-Gebühr ab 35 Euro, dafür seien die Daten aber auch sicher, unterstreicht Kempenaar. Es gebe genug Serverkapazitäten, um einer großen Nachfrage von Nutzern gerecht zu werden, und es stehe ein Technikpartner zur Verfügung, der aktiv beim Streaming unterstütze. Das Bezahlsystem richtet sich dabei nach den Besucherzahlen, wie er sagt. Ein Gottesdienstbesucher zählt dann als solcher, wenn er sich einen Stream länger als 10 Minuten ansieht. Wer sich nur umschauen wolle, welche Gottesdienste gebe, werde so nicht mitgezählt.
Die Grenzen ihres Angebots sind den drei Machern bewusst. „Einen Gottesdienst auch für junge Mitglieder oder eine breite Masse attraktiv zu gestalten, ist nicht automatisch dadurch gegeben, dass eine Plattform eingesetzt wird“, betont Kempenaar: „Unsergottesdienst.de kann nur Hilfsmittel sein, um Menschen Kirche einfacher näher bringen zu können.“
www.unsergottesdienst.de
Die Plattform möchte Gottesdienste in der Weihnachtszeit möglich machen, die wegen Corona ausfallen würden. Dafür bieten die Macher von unsergottesdienst.de kostenlose Audio- und Videoübertragungen für Kirchen ab sofort und bis zum 6. Januar an. Gemeinden können sich dafür unter https://info.unsergottesdienst.de/kirche/weihnachten und für eine Informationsveranstaltung dazu am Donnerstag, 2. Dezember, von 17 bis 18.30 Uhr anmelden.