Der Machtwechsel in Syrien wirft auch in Deutschland Fragen auf. Aus der Union werden Stimmen laut, für die nach Deutschland geflüchteten Syrer “Rückkehr-Anreize” zu schaffen. Politiker anderer Parteien, Hilfswerke und Menschenrechtler warnen vor übereiltem Aktivismus. Die Lage in Syrien sei mehr als unübersichtlich und von außen kaum zu bewerten. Indes berichteten Medien übereinstimmend, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Entscheidungen über vorliegende Asylanträge von Syrern vorerst gestoppt habe. Das beträfe derzeit rund 47.000 Anträge.
Der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), erklärte bei RTL/ntv: “Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro.” Zudem solle die Bundesregierung klar die Erwartung formulieren, dass junge Menschen im Land für den Wiederaufbau benötigt würden.
Grüne warnen vor Diskussionen über Abschiebungen
Ferner sollte Deutschland Spahn zufolge zusammen mit Österreich, der Türkei und Jordanien – das sind die vier Länder, die die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen haben – für das Frühjahr eine Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz planen. Wenn sich im Heimatland die Dinge normalisierten und stabilisierten, dann müssten die Flüchtlinge auch zurückkehren.
Vor dieser Statue von Hafiz #Assad bin ich jahrelang als Jugendlicher vorbeigelaufen, es war immer beängstigend, nicht mal richtig hinblicken haben wir uns getraut.
Nun ist diese Angst für Millionen vorbei! #Syrien pic.twitter.com/ELWk6r3RGY— Rashad Alhindi (@RashadAlhindi) December 8, 2024
Unterdessen warnte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt vor einer vorschnellen Diskussion über Abschiebungen syrischer Asylbewerber. Im rbb24 Inforadio sagte sie, viele der Geflüchteten wollten so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren. Aber die Vorstellung, dass Deutschland nun etwa Kinder, die hier in die Schule gehen, sofort zurückschicke, führe bei den Betroffenen zu großer Unsicherheit.
“Selbstverständlich wird es so sein, dass, wenn das ein sicheres Land ist, dass dann Menschen zurückkehren sollen und auch werden”, sagte die Vizepräsidentin des Bundestags. Zunächst müsse aber geschaut werden, wie sich die Lage in Syrien entwickle. Deutschland könne Syrien bei der Stabilisierung unterstützen, aber den Konflikt nicht lösen.
Syrien: Lage vor Ort unübersichtlich
Kritik kam auch von der seit Jahren in Syrien aktiven Hilfsorganisation Caritas international: “Es ist jetzt definitiv nicht der passende Zeitpunkt, um eine Rückkehr-Debatte anzustoßen”, sagte Leiter Oliver Müller der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Innerhalb von Syrien seien nach wie vor Millionen Menschen vertrieben und auf der Flucht. “90 Prozent der syrischen Bevölkerung lebt in Armut, die humanitäre Not im Land ist immens.”
Das Deutsche Institut für Menschenrechte mahnte ebenfalls zur Zurückhaltung. Derzeit sei die Lage vor Ort viel zu unübersichtlich, als dass bereits über eine Rückführung von Geflüchteten ernsthaft gesprochen werden könne. Insbesondere mit Blick auf Minderheiten wie Drusen oder syrische Christen sei unklar, ob ihnen in der Heimat Verfolgung drohe.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker appellierte an die Bundesregierung, die Menschen in Syrien nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Die Bundesregierung solle sich aktiv für einen demokratischen Übergangsprozess einsetzen. Die Islamisten, die nun die Macht übernehmen wollten, warteten auf Rache oder darauf, endlich einen islamistischen Staat in Syrien zu errichten.