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Innenminister beraten über Gewalt gegen Politiker

Manches erinnert in Ansätzen an das Ende der Weimarer Republik. In den vergangenen Tagen gab es mehrfach Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer. Der Bundespräsident ist entsetzt.

Nach Attacken auf Politiker und Wahlkampfhelfer hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Sonderkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern zu Schutzmaßnahmen angekündigt. Die Ministerin sagte der “Bild am Sonntag”, es gehe darum, ein Maßnahmenpaket zu schnüren, das mehr Präsenz der Polizei vor Ort vorsehe. Man müsse die Täter stoppen – “und die Brandstifter, die unsere Demokratie in Brand setzen wollen. Wir werden keinen Millimeter zurückweichen.”

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), sagte der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Montag), das informelle Treffen werde am Dienstag stattfinden. Angriffe auf Amts- und Mandatsträger seien in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen – “diese wachsende Verrohung der Gesellschaft zeigt sich leider auch immer dann, wenn Polizisten, Rettungskräfte oder Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen werden”, sagte der CDU-Politiker. Die Polizei alleine könne die Demokratie vor ihren Feinden nicht beschützen. Es brauche einen breiten gesellschaftlichen Schulterschluss.

Der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, war am Freitagabend beim Plakatieren in Dresden von vier Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden. Auch ein Wahlhelfer der Grünen wurde dort angegriffen. Bereits am Donnerstagabend waren in Essen zwei Grünen-Politiker attackiert worden. Bei ihnen handelt es sich nach Medienberichten um den Grünen-Bundestagsabgeordneten Kai Gehring und den dritten Bürgermeister von Essen, Rolf Fliß. Vergangenes Wochenende hatten Demonstranten in Brandenburg das Auto der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt bedrängt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Vertreter aller Parteien verurteilten die Angriffe scharf. “Es ist unerträglich, wenn Vertreter von Verfassungsorganen wie die Vizebundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt, Europawahlkämpfer wie der Dresdner Matthias Ecke und Amtsträger wie der dritte Essener Bürgermeister Rolf Fliß bei ihrer demokratischen Arbeit angegriffen, behindert oder sogar geschlagen und verletzt werden”, erklärte er am Samstag in Berlin.

Dieser Ausbruch von Gewalt sei eine Warnung, so der Bundespräsident weiter: “Alle, die unsere liberale Demokratie erhalten möchten, müssen nun parteiübergreifend zusammenstehen gegen Angriffe und Übergriffe im politischen Wettbewerb.” Steinmeier appellierte an alle Bundesbürger, die politische Auseinandersetzung friedlich, mit Argumenten und Respekt zu führen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärte auf X: “Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte.” CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte auf X: “Wir Demokraten lassen uns von den Feinden der Demokratie nicht einschüchtern.”

Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, erklärte, es mache sie “fassungslos, dass Menschen, die sich für unsere Demokratie engagieren, immer stärker angegriffen und gefährdet werden”.

Die Vorsitzende der Links-Partei, Janine Wissler, erklärte: “Wer angesichts der aktuellen Gewaltwelle an der Brandmauer gegen den Faschismus rüttelt, öffnet genau denen die Tore, die die Grundlagen unseres Zusammenlebens angreifen.” Wissler sieht eine Verantwortung bei Parteien wie der AfD und den “Freien Sachsen”.

Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla erklärte: “Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden”, schrieb der aus Sachsen stammende Parteichef auf X.

Gewaltdelikte gegen Parteirepräsentanten hatten zuletzt deutlich zugenommen. Laut Bundesregierung waren Politikerinnen und Politiker der Grünen besonders betroffen: 1.219 Fälle wurden laut vorläufigen Zahlen im Jahr 2023 erfasst. 2022 waren es noch 575 Delikte. Auch AfD-Politikerinnen und Politiker wurden häufig tätlich angegriffen. 478 Fälle erfasst die vorläufige Statistik. Am dritthäufigsten traf es die SPD mit 420 Delikten.