Erstmals seit Beginn der organisierten privaten Seenotrettung 2015 im Mittelmeer erhalten die zivilen Organisationen Zuschüsse der Bundesregierung. Das hat zu einer hitzigen Debatte geführt und wird unter anderem von der rechtspopulistischen Regierung Italiens und der CDU scharf kritisiert. Der epd hat einige Zahlen und Fakten zusammengetragen.
– HINTERGRUND: Der Bundestag entschied Ende 2022, der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer zwei Millionen Euro jährlich von 2023 bis 2026 aus Mitteln des Auswärtigen Amtes zukommen zu lassen. Im Antrag von SPD und Grünen, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, wurde ausdrücklich als Empfänger der Verein United4Rescue genannt, dem die privaten Seenotrettungsinitiativen angehören. Dieser sollte die Mittel unter seinen Mitgliedern nach Bedarf verteilen.
– ERGÄNZUNG UM HILFE AN LAND: Im Juli kam heraus, dass die Bundesregierung entschieden hatte, die zwei Millionen Euro nicht komplett der Seenotrettung zur Verfügung zu stellen, sondern einen Teil des Geldes für die Hilfe für Geflüchtete in Italien einzusetzen. Zudem sollte nicht mehr United4Rescue das Geld erhalten und verteilen. Stattdessen waren die einzelnen Organisationen aufgerufen, einen Antrag zu stellen.
– BEZUSCHUSSTE ORGANISATIONEN: Laut dem Auswärtigen Amt sind bislang (Stand 2. Oktober) Zusagen an zwei Seenotrettungsorganisationen und eine italienische Hilfsorganisation erfolgt. Dabei handelt es sich demnach um die Geflüchteten-Hilfe der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio in Italien und die deutschen Rettungsorganisationen SOS Humanity und Sea-Eye. Die Förderung liege bei jeweils zwischen 300.000 und 800.000 Euro, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes dem epd.
– WEITERE ANTRÄGE: Einen weiteren Antrag hat der deutsche Ableger der europäischen Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée gestellt. Nach Angaben von Geschäftsführer Carl Drexler beläuft er sich auf 400.000 Euro. Für den deutschen Zweig der Organisation stelle das einen hohen Anteil der Einnahmen dar. Das Jahresbudget der Organisation mit Ablegern in Frankreich, Italien und der Schweiz liege bei insgesamt 13 Millionen Euro, wovon allein neun Millionen für den Betrieb des Rettungsschiffes „Ocean Viking“ aufgewendet würden. Der koste etwa 25.000 Euro pro Tag.
– ZUSAGE SOS HUMANITY: SOS Humanity wurden nach Angaben von Sprecherin Petra Krischok 790.000 Euro bewilligt. Jeder Einsatz der „Humanity“ kostet demnach rund 270.000, obwohl ein Großteil der Besatzung und das medizinische Personal ehrenamtlich arbeiteten. Die Kosten seien zuletzt in die Höhe geschnellt, weil die italienische Regierung den Seenotrettern weit entfernt liegende Häfen zuweise, um die Geretteten an Land zu bringen, was den Treibstoffverbrauch vervielfacht habe.
– ZUSAGE SEA-EYE: Die Initiative Sea-Eye erhält nach Angaben des Vorsitzenden Gorden Isler 365.000 Euro vom Auswärtigen Amt. Das Geld mache elf Prozent des Haushalts der Organisation aus und sichere die kommenden zwei Einsätze des Schiffs „Sea-Eye 4“. In Zeiten, in denen die italienische Regierung die private Seenotrettung kriminalisiere, sei der Zuschuss ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Bundesregierung genau das Gegenteil tue, sagte Isler.
– ZUSAGE SANT’EGIDIO: Der katholischen Laiengemeinschaft bewilligte das Auswärtige Amt nach Angaben von Generalsekretär Cesare Zucconi eine Summe von 420.000 Euro für die Unterstützung der 50.000 von der Organisation betreuten Migrantinnen und Migranten mit regulärem Status. Die Menschen erhielten etwa Sprachkurse, Unterbringung, Verpflegung oder berufliche Aus- und Weiterbildungen.
– POSITION UNIONS-FRAKTION: Zuletzt haben Mitglieder der Unions-Fraktion im Bundestag die Bezuschussung der privaten Seenotretter mit Steuergeldern kritisiert. Eine Sprecherin der Fraktion bestätigte dem epd allerdings am Montag, dass alle Mitglieder der Unions-Fraktion im Haushaltsausschuss dem Vorhaben Ende 2022 zugestimmt haben.
– FLÜCHTLINGSZAHLEN: In diesem Jahr haben bislang (Stand 1. Oktober): 133.170 Geflüchtete Italien erreicht. 2022 waren es im gleichen Zeitraum 70.796 (gesamtes Jahr 105.129). Nach Angaben des Sant’Egidio-Generalsekretärs Zucconi machen die von den privaten Organisationen Geretteten weniger als fünf Prozent aller Flüchtlinge aus, die Italien erreichen.