BREMEN – Die Neuwahl der Führungsspitze (siehe Seite 4 und UK 47, Seite 4) stand im Mittelpunkt der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bei den viertägigen Beratungen in Bremen wurde jedoch eine ganze Reihe weiterer Beschlüsse gefasst – etwa zur Flüchtlingspolitik und zum bevorstehenden Reformationsjubiläum. Außerdem wurde ein grundsätzlicher Kurswechsel im Selbstverständnis der EKD eingeleitet: Sie will sich künftig auch theologisch als Kirche verstehen. Allerdings müssen die Landeskirchen diesem Beschluss noch zustimmen. Nachfolgend die wichtigsten Entscheidungen:
Für sichere und legale Wege nach Europa:
„Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht und lässt sich nicht begrenzen“, heißt es in einem Synodenbeschluss. An anderer Stelle appelliert die Synode an die EU-Staaten, Asylsuchenden sichere und legale Wege nach Europa zu eröffnen, Standards des EU-Asylsystems zu beachten und zu einer Verteilung von Flüchtlingen unter Berücksichtigung von deren Bedürfnissen zu kommen. Konkret wird in dem Beschluss auch gefordert, den Familiennachzug, über den derzeit in der Koalition gerungen wird, zu erleichtern und die Türkei nicht als sicheres Herkunftsland einzustufen.
Mittel für Integration bereitstellen:
Die Synode fordert, kirchliche Mittel für die Arbeit mit Flüchtlingen bereitzustellen. Außerdem bittet sie den Rat der EKD, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sowie Schulen beim Schaffen von Angeboten für Flüchtlinge unterstützt werden.
Mehr Geld und Engagement gegen Rechts:
Die Bundesregierung soll das Budget für ihr Förderprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ aufstocken. Das fordert die Synode und bittet den Rat der EKD, sich für eine Erhöhung um mehr als die Hälfte, mindestens 25 Millionen Euro, einzusetzen. Derzeit stehen nach Informationen der Synode 40,5 Millionen Euro für Projekte gegen Rechtsextremismus zur Verfügung.
Die Zivilgesellschaft brauche „klare Unterstützung“, heißt es im Beschluss. Schon seit Jahren hätten zivilgesellschaftliche Akteure vor der „Zunahme von rechtsextremistischer Gewalt“ gewarnt, nun stehe die Willkommenskultur in „schmerzlichem Gegensatz zur dramatischen Zunahme rassistisch motivierter Angriffe in Wort und Tat“, heißt es in der Begründung.
Klimaschutzziele verbindlich verankern:
Bei der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Paris soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, das verbindliche 1,5/2-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung völkerrechtlich verbindlich zu verankern und einen Umstieg auf erneuerbare Energien sowie eine transparente Überprüfung zu vereinbaren. Zudem soll die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kohlekraft bis 2040 einleiten. Umweltschädliche Subventionen in Höhe von jährlich 50 Milliarden Euro sollen abgebaut werden.
Reformationsjubiläum als „Christusfest“:
Offenheit gegenüber anderen Interessen und Gläubigen ist nach Auffassung der Synode eine der zentralen Lehren der Reformation. Die Reformation sei ein Schlüssel-ereignis der Geschichte Europas, heißt es in einem Papier, das zum Abschluss der Tagung in Bremen einstimmig beschlossen wurde. Aus der Freiheit des Glaubens leitet die Synode zudem einen Aufruf für gesellschaftliches Engagement ab. Evangelische Menschen würden für Schwache und Verfolgte eintreten sowie um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ringen,
Zudem unterstreicht das Kirchenparlament, das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 als gemeinsames Christusfest mit anderen Kirchen zusammen zu feiern. 2017 jährt sich der überlieferte Thesenanschlag von Martin Luther zum 500. Mal. Das Ereignis gilt als Beginn der Reformation und damit der Entstehung der evangelischen Kirche.
Absage an die Judenfeindschaft Martin Luthers:
Zum 500. Reformationsjubiläum 2017 will die EKD weitere Lehren aus der Haltung Martin Luthers (1483-1546) zu den Juden ziehen. In einer einstimmig beschlossenen „Kundgebung“ distanziert sich die Synode von den judenfeindlichen Aussagen Luthers und anderer Reformatoren. Luthers Empfehlungen zum Umgang mit Juden seien widersprüchlich und hätten Schmähungen und Forderungen nach vollständiger Entrechtung und Vertreibung der Juden eingeschlossen. „Im Vorfeld des Reformationsjubiläums können wir an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen“, heißt es in dem Text.
Bis 2017 werde die evangelische Kirche auch ihre Haltung zur umstrittenen Judenmission klären, kündigte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer an.
Die EKD als Kirche:
70 Jahre nach ihrer Gründung wird die EKD auch im theologischen Sinne zur Kirche. Das sieht die Grundordnungsänderung vor, der Synode und Kirchenkonferenz mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmten. Die EKD sei als „Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche“, lautet die Formel, die nach jahrelanger Debatte über den Kirchenstatus Zustimmung fand. Alle 20 Landeskirchen müssen der Änderung zustimmen.
Bedenken gegen das Vorhaben, die EKD zur Kirche zu erklären, gab es zunächst in den lutherischen Kirchen von Braunschweig, Sachsen, Schaumburg-Lippe und Württemberg. Hintergrund ist die kirchenpolitische Debatte über das Verbindungsmodell, mit dem die konfessionellen Zusammenschlüsse der unierten und lutherischen Landeskirchen sowie die EKD eine engere Kooperation und bessere Koordination anstreben.
Etat gegenüber dem laufenden Jahr unverändert:
Der von der Synode beschlossene EKD-Haushalt 2016 hat ein Volumen von 198,5 Millionen Euro und ist damit gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr unverändert. Die EKD hat keine eigenen Kirchensteuereinnahmen, wichtigste Finanzquelle mit 142,8 Millionen Euro sind Umlagen und Zuweisungen der 20 Landeskirchen. Nicht berücksichtigt im Haushalt ist der Finanzausgleich zwischen den Mitgliedskirchen. Größter Ausgabenposten mit 61,7 Millionen Euro ist der Arbeitsbereich Ökumene, Diakonie und „Brot für die Welt“.
Europa als Themenschwerpunkt 2016:
Die Synode befasst sich Anfang November 2016 bei ihrer nächsten Jahrestagung in Magdeburg mit dem Schwerpunktthema „Für ein Europa in Solidarität – evangelische Perspektive auf den Beitrag der Religionen“. Religionen würden oft als Ursachen von Konflikten wahrgenommen, sie könnten aber einen „wichtigen Beitrag zur Solidarität leisten“, sagte Vizepräses Klaus Eberl.