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Scholz: Nie mehr wegzuschauen, ist Richtschnur nach Auschwitz

“Ich trete jedem Schlussstrich, jedem ‘Lange her’ entgegen”, sagt der Kanzler bei einem Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Und betont, welche Verantwortung jeder in der Einwanderungsgesellschaft hat.

Unrecht nicht zu dulden, nie mehr wegzuschauen, Nein zu sagen: Das muss nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz die Richtschnur sein. “Gerade heute, wo Antisemitismus, Rechtsextremismus, völkisches Gedankengut, wo teils unverhohlene Menschenfeindlichkeit vielerorts eine erschreckende und alarmierende Normalisierung erfährt”, sagte Scholz am Sonntag in Frankfurt am Main. Er sprach auf einer Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde anlässlich der Befreiung überlebender Häftlinge in Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945.

Vor allem das Internet und Soziale Netzwerke würden häufig zu “Durchlauferhitzern” für extremistische Positionen, Hetze und Hass, die besonders oft Jüdinnen und Juden real gefährdeten, betonte Scholz. Sicherheitsbehörden schützten jüdische Gemeinden, Antisemitismus, Terrorpropaganda und Menschenfeindlichkeit würden bekämpft. Im neuen Staatsangehörigkeitsrecht sei geregelt, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegenstehe.

Scholz sagte, dass sich jede und jeder, unabhängig von Herkunft, Familiengeschichte oder Religion, den “unzweifelhaften Fakten” stellen müsse. Er betonte: “Ich trete jedem Schlussstrich, jedem ‘Lange her’ entgegen.”

Es müsse der Anspruch aller sein, dass das jüdische Deutschland genauso selbstverständlich und alltäglich sei wie das Deutschland jedes anderen Glaubens und auch Nichtglaubens, so Scholz. “Leider sind wir davon noch entfernt. Das ist und bleibt empörend.” Versäumnisse müssten aufgearbeitet werden. “Es war naiv zu glauben, in einer Einwanderungsgesellschaft würden irgendwann schon alle die gleiche Perspektive auf unsere Geschichte einnehmen, nur weil sie hier wohnen.”

In der Erinnerungsarbeit müsse es auch darum gehen zu vermitteln, dass die Opfer der Schoah “Menschen wie Du und ich” seien. “Diese Einsicht in einer Gesellschaft mit unterschiedlichsten Herkunftsgeschichten zu vermitteln, ist eine zentrale Aufgabe der Gedenkstätten und der Unterstützung des Bundes für deren Arbeit.” In diesem Zusammenhang verwies Scholz auf den laufenden Prozess zur Reform des Gedenkstättenkonzeptes.

Auschwitz im besetzten Polen war das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten. In das Lager wurden zwischen 1940 und 1945 weit über eine Million Menschen aus ganz Europa deportiert. Die Zahl der im KZ Auschwitz und im dazugehörigen Vernichtungslager Birkenau Ermordeten wird auf 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen geschätzt.