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Rheinland-pfälzische Politiker warnen vor Risiken für die Demokratie

Bei der zentralen Gedenkfeier des Landes Rheinland-Pfalz zum 80. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz haben Redner davor gewarnt, dass Antisemitismus und Hass auf Minderheiten erneut die Demokratie in Deutschland gefährden. „Antisemitismus versteckt sich nicht mehr, er bedroht unsere Gesellschaft“, erklärte Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) bei einer Sondersitzung des Landtags in der neuen Mainzer Synagoge. Wenn die Deutschen nicht dauerhaft die nötigen Lehren aus der Geschichte lernten, könne dies das politische System in Gefahr bringen. „Freiheitliche Demokratie kann ärmer werden, sie kann erfrieren und uns irgendwann aus der Hand rutschen“, warnte er.

Auch Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) zeichnete in seiner Ansprache „erschreckende Parallelen“ zwischen dem Aufstieg der Nationalsozialisten und der Gegenwart nach. 1933 habe die Zerstörung der Demokratie nicht länger als ein Jahresurlaub gedauert, sagte er am Montag bei einer Sondersitzung des rheinland-pfälzischen Landtags in der Mainzer Synagoge: „So begann es damals, und so kann es wieder beginnen.“ Die Zivilgesellschaft müsse sich dem aktuellen Rechtsruck entgegenstellen, forderte er.

Hering erinnerte daran, dass die Untaten der NS-Herrschaft nicht von einer kleinen Clique von Verbrechern begangen worden sei. Ohne Polizisten, Richter, Lokführer und viele andere, normale Menschen wären die Gräuel nicht möglich gewesen. Beispielhaft erinnerte Hering an einen Ingenieur aus der Pfalz, der die Krematorien des Vernichtungslagers Auschwitz konstruiert hatte.

Der als Gedenkredner nach Mainz eingeladene Journalist und Buchautor Ronen Steinke warf einigen politischen Kräften in Deutschland vor, Zukunftssorgen und Nöte vieler Menschen erneut auf Minderheiten zu lenken. Juden oder Flüchtlinge würden „bis hin zum fehlenden Zahnarzttermin“ zu Sündenböcken für verschiedene komplexe Probleme gemacht. Ein solches Vorgehen sei intellektuell einfach und schäbig. Steinke, der selbst Mitglied der jüdischen Gemeinde in Berlin ist, erteilte in dem Zusammenhang Versuchen eine Absage, die jüdische Gemeinschaft mit antimuslimischen Ressentiments für sich einzunehmen: „Bei der jüdischen Gemeinde beißen Sie damit auf Granit.“

Der 27. Januar ist seit 1996 in der Bundesrepublik offizieller Gedenktag für die Opfer der NS-Herrschaft. Am 27. Januar 1945 waren die überlebenden Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz von Soldaten der sowjetischen Roten Armee befreit worden. Der Landtag von Rheinland-Pfalz kommt seit 1998 am Jahrestag der Befreiung zu einer Sondersitzung zusammen.