Der Münchner Psychotherapeut Johannes Hepp wirbt für ein neues Schulfach „Quellenkritik“. Das Internet sei voller Manipulationsgefahren, sagte der Autor des Buchs „Die Psyche des Homo Digitalis – 21 Neurosen die uns im 21. Jahrhundert herausfordern“ dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch. Der Mensch habe sich zwar „über die Jahrtausende unfassbar gut angepasst“, aber seine Gene nicht – hier sei der Mensch immer noch „ein Rudeltier, ein schlichtes Gemüt“, erläuterte der Familientherapeut.
Mittlerweile gebe es „ganz neue Möglichkeiten des Deepfake“. Da klinge ein Video nicht nur nach Trump oder Biden, es sehe auch so aus. Um all den Deepfakes und Fake-News widerstehen zu können, müsse der Mensch aber in kürzester Zeit Tönen und Bildern misstrauen lernen: „Wir dürfen erst einmal gar nichts mehr glauben.“ Deswegen sei es wichtig, das Schulfach „Quellenkritik“ zu etablieren, um jungen Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie solche gefälschten Nachrichten und Medien erkennen können.
Laut Hepp ist die Gesellschaft „etwas naiv in die Pandemie“ gestolpert. Die meisten hätten wohl geglaubt, dass man das bisherige Leben einfach virtuell fortführen kann: „Dieser gigantische Feldversuch liefert uns nun die Rechnung.“ Allein in Bayern gebe es nach Corona 40 Prozent mehr Therapieanfragen bei Erwachsenen und 60 Prozent bei Kindern. Für eine gesunde psychische Entwicklung bräuchten Menschen den realen Kontakt. „Als Kind, aber auch als Erwachsener: Wir müssen sie spüren, die Geborgenheit“, betonte er.
Beim Thema Pornografie im Internet wirft Psychotherapeut Johannes Hepp der Politik Untätigkeit vor: „Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass es 2023 in Deutschland so gut wie keine Pornoseite gibt, bei der man das Alter nachweisen muss.“ Jeder Zehnjährige könne auf einen „Ja, ich bin 18“-Button klicken, sagte Hepp. Eltern allein könnten das Problem nicht meistern, sie seien damit überfordert. Selbst wenn Eltern technische Sperren einrichteten: Im Zweifel würden sie von den Kindern umgangen. (00/4061/13.12.2023)