Der Potsdamer Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch sieht in den Wahlerfolgen von AfD und BSW auch ein Ergebnis eines De-Facto-Rückzugs der demokratischen Parteien aus der Fläche. Im Unterschied zur AfD seien diese dort nicht präsent und das nicht nur in Ostdeutschland, sagte der Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) an der Uni Potsdam der „tageszeitung“ (Dienstag).
„Wir sehen im Grunde die Entfremdung eines Teils der Gesellschaft von der demokratisch-politischen Kultur der Bundesrepublik. Das schreitet seit bestimmt 20 Jahren voran“, sagte Botsch.
Was er mit großer Neugier beobachte, sei eine Abkehr von landesweit vertretenen Parteien zugunsten von lokal verorteten Initiativen, Wählerlisten und Bürgerbündnissen. Ihre Agenda setze an Problemen an, aber sie wüssten: Wenn man in der Kommune etwas erreichen wolle, seien die politischen Parteien nicht mehr Bündnispartner, sondern ein Hinderungsgrund, weil die Leute diese nicht wählten.
Diese Listen wüchsen aus dem Bedürfnis nach positiven Entwicklungen heraus und nicht wie bei der AfD, mit dem erklärten Ziel, die Politik in diesem Land lahm zu legen, um die Macht zu übernehmen. „Die Parteien wären gut beraten, diese Entwicklung aufmerksam zu beobachten und mit den dort aktiven Menschen in Kontakt zu treten“, sagte Botsch: „Nicht mit der Absicht, sie zu dominieren und zu Parteifußvolk zu machen, sondern mit der Absicht, sie als potenzielle Bündnispartner zu sehen, ihnen zuzuhören und ihnen Angebote ‘auf Augenhöhe’ zu machen.“