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Politik und Kirchen würdigen Bernhard Vogel als Ausnahmepolitiker

Mittler zwischen Ost und West, herausragender Akteur des politischen Katholizismus – die Würdigungen für den verstorbenen Ministerpräsidenten und CDU-Urgestein Bernhard Vogel sind umfassend. Er starb 92-jährig in Speyer.

Spitzenvertreter aus Politik und Kirche haben den verstorbenen CDU-Politiker und früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel gewürdigt. Er sei “eine prägende Gestalt der politischen Geschichte Deutschlands und Mittler zwischen West und Ost” gewesen, erklärte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) am Montag. Ausgleich, Dialog, Kompromissbereitschaft und ein klarer christlich geprägter Kompass ihn hätten seine politische Arbeit ausgezeichnet. Vogel war am Sonntag im Alter von 92 Jahren in Speyer gestorben.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann würdigte Vogel als engagierten Christen und Staatsmann, der Zeit seines Lebens der Kirche in besonderer Weise verbunden gewesen sei: “In vielen persönlichen Begegnungen durfte ich ihn als einen tiefgläubigen Menschen erleben, der mit wachem und kritischem Blick den Weg seiner Kirche leidenschaftlich mitverfolgte und mit ihr unerschütterlich verbunden war.”

Mehr als vier Jahrzehnte gehörte der Bruder des früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel (1926-2020) dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) an. Dessen Präsident war er von 1972 bis 1976. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp würdigte Vogel als einen “herausragenden Akteur des politischen Katholizismus unserer Zeit”. Der Laien-Dachverband verliere einen “großen und unermüdlichen Vordenker und politischen Gestalter, einen wahren Homo Politicus”.

Die Beisetzung findet im engsten Kreis in München statt. Das Land Rheinland-Pfalz plant einen Trauerstaatsakt. Im Erfurter Dom soll ein Requiem stattfinden. Vogel war der einzige Politiker, der zwei Bundesländer als Ministerpräsident führte. Fast ein Vierteljahrhundert und damit so lange wie niemand sonst war er Landesregierungschef – erst in Rheinland-Pfalz (1976-1988) und danach in Thüringen (1992-2003).

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) nannte Vogel einen “Jahrhundertpolitiker”, der sich seinen Aufgaben zeitlebens mit Respekt und leidenschaftlicher Hingabe gewidmet und Thüringen nach der Wiedervereinigung Deutschlands maßgeblich mit aufgebaut habe. Vogel sei jemand gewesen, der mit einem freundlichen Lächeln, mit scharfem Verstand und unerschütterlicher Überzeugung geführt habe. “Sein Rat war nie laut, nie belehrend – aber immer klug.”

Der katholischen Thüringer Bischöfe würdigten Vogel als “Glücksfall” für den Freistaat und die Thüringer Bistümer, zu denen neben Erfurt auch Dresden-Meißen und Fulda gehören. Zur Wiederbegründung des Bistums Erfurt 1994 habe er von staatlicher Seite maßgeblich beigetragen, ebenso zur Gründung der Katholisch-Theologischen Fakultät an die Universität Erfurt. “Dies wäre ohne sein beherztes Engagement nicht möglich gewesen.”

Vogel war auch Ehrenpräsident der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die er zwischenzeitlich leitete. Der KAS-Vorsitzende Norbert Lammert erklärte, der Verstorbene habe durch klare Orientierung und Respekt vor dem politischen Gegner ein Beispiel für demokratische Streitkultur gegeben und einen nachhaltigen Beitrag zum Zusammenwachsen des wiedervereinigten Deutschlands geleistet.

Vogel, der in Göttingen geboren wurde, studierte ab 1953 in Heidelberg und München Politische Wissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft. Von 1965 bis 1967 gehörte er dem Bundestag an. 1967 übernahm er das Amt des Kultusministers in Mainz, das er bis zur Wahl zum Ministerpräsidenten 1976 innehatte. Nach einem CDU-internen Führungsstreit trat er 1988 zurück. Vier Jahre später wurde Vogel der erste Ministerpräsident des Freistaats Thüringen nach der Wiedervereinigung.

Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte hatte Vogel im Mai 2024 in Speyer, wo er seit Jahrzehnten wohnte. Bei der Vorstellung seiner Autobiografie “Erst das Land: Mein Leben als Politiker in West und Ost” zeigte sich Vogel trotz seiner damals 91 Jahre nicht als Mann von gestern. Äußerlich schon gebrechlicher, die Stimme aber nach wie vor fest und kräftig, gab der CDU-Politiker Empfehlungen zum Umgang mit der AfD. “Es darf nicht darum gehen, sich den inhaltlichen Aussagen der AfD anzunähern”, sagte Vogel. “Es muss darum gehen, die Wähler, die die demokratischen Parteien der Mitte an die AfD verloren haben, zurückzugewinnen.”