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Pflegekammer als Zankapfel – Protest im zehnten Jahr des Bestehens

Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz will berufliche Standards sichern – doch manche Pflegekräfte lehnen sie ab. In Koblenz demonstrieren sie am Wochenende gegen die Institution. Das Land verteidigt das Modell.

Die Zukunft der Pflege ist eine der wohl größten sozialpolitischen Herausforderungen in Deutschland. Während die Bevölkerung immer älter wird, fehlen vielerorts Fachkräfte in der Pflege. Kammern auf Länderebene sollten das Ansehen dieses wichtigen Berufs vermehren und mehr Menschen für diese Tätigkeit gewinnen helfen. Doch es gibt sie nur in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Zuletzt scheiterte ein Anlauf in Baden-Württemberg 2024 – andernorts wurden entsprechende Kammern wieder aufgelöst.

In Rheinland-Pfalz könnte Anfang 2026 das zehnjährige Bestehen begangen werden. Nicht alle wollen das feiern: Es gibt Proteste – wie etwa die Facebookgruppe “Stopp der Pflegekammer RLP” zeigt. Sie hat Anfang Juli fast 2.000 Mitglieder. Und die “Rhein-Zeitung” in Koblenz, wo an diesem Wochenende gegen die Kammer protestiert werden soll, druckte zuletzt fast eine ganze Seite mit kritischen Leserbriefen. “Unnötig wie ein Kropf” und “Kammer vertritt nur sich selbst” lauteten zwei Überschriften.

“Ich war 2016 für die Pflegekammer, habe auch dafür unterschrieben, muss aber nach neun Jahren sagen: Die Pflegekammer hat für die Pflegefachkräfte in Rheinland-Pfalz nichts bewirkt”, sagte der Sprecher des Pflegebündnisses Trier, Michael Pauken, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Der 52-Jährige ist Krankenpfleger und leitet eine Senioreneinrichtung bei Trier. Für ihn sei die Kammer zum Standortnachteil geworden. Unter anderem, weil nicht alle Pflegefachkräfte Gebühren entrichten. Die Kammer bestätigt das. Nicht alle Arbeitgeber erfragten, ob Beschäftigte sich bei der Kammer angemeldet haben. Demnach gebe es aktuell gut 40.000 Kammermitglieder und sie zahlen im Durchschnitt 11,80 Euro im Monat.

In einer Befragung sollen sie demnächst um Verbesserungsvorschläge gebeten werden, teilte Kammerpräsident Markus Mai im Juni mit und betonte: “Die Abschaffung der Pflegekammer wäre ein Schaden für alle.” Zwar finden in Rheinland-Pfalz im Frühjahr Neuwahlen statt, doch gehe er nicht davon aus, dass die einst unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gestartete Einrichtung gefährdet sei.

Auch Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) äußert sich wohlwollend. Mit der Kammer verfüge die Pflege über eine eigene Stimme. “Sie kann sich als eigenständiger Berufsstand auf Augenhöhe mit anderen Heilberufekammern – etwa der Ärztekammer, Zahnärztekammer, Apothekerkammer und Psychotherapeutenkammer – positionieren, in Selbstverwaltung organisieren und ihre Interessen wirksam vertreten”, sagte er auf Anfrage. Die “herausragende Bedeutung” der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen müsse im gesellschaftlichen Bewusstsein besser verankert werden.

Zudem verwies Mai darauf, dass die Kammer für Beschäftigte und Menschen in schwierigen Situationen in die Bresche springe. Der gelernte Krankenpfleger hat viele Jahre im Trierer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Pflegedirektion gearbeitet. Die Pflegekammer trage Aufgaben der beruflichen Selbstverwaltung, etwa in Fort- und Weiterbildung. Damit solle die Qualität der Versorgung sichergestellt werden.

Dennoch gibt es auch auf Bundesebene Kritiker. “Verkauft wurden und werden die Pflegekammern als Stärkung, als Interessenvertretung der Pflege. Tatsächlich sind sie Behörden; eine Interessenvertretung ist nur sehr eingeschränkt möglich”, beklagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern, Kai Boeddinghaus, in Kassel. Eine Sonderabgabe der Pflegekräfte zur Finanzierung einer – wie immer gearteten – Förderung der Pflege wäre nach seiner Einschätzung nie durchsetzbar gewesen, nun werde diese als Mitgliedsbeitrag bezeichnet.

Der Verbandsvertreter verweist außerdem auf eine Unterlassungserklärung. So hat sich die Pflegekammer vor dem Verwaltungsgericht Mainz außergerichtlich verpflichtet, bestimmte öffentliche Äußerungen künftig zu unterlassen.

“Gleichzeitig gab es in anderen Fällen auch gerichtliche Entscheidungen, die Äußerungen der Kammer oder ihres Präsidenten im Rahmen des gesetzlichen Auftrages bestätigt haben”, heißt es auf KNA-Anfrage. Viele Erfolge seien erreicht worden, etwa die Entwicklung beruflicher Standards oder die Mitgestaltung einer besseren pflegerischen Versorgung in mehr als 80 Fachgremien.

Mit einer Fachsprachprüfung fördere man zugewanderte Pflegekräfte und bringe Anliegen der Berufsgruppe “gebündelt in politische Entscheidungsprozesse ein”. Kritiker Boeddinghaus ist nicht überzeugt. Die Kammer schmücke sich mit Erfolgen, mit denen sie nichts zu tun habe. Sie behaupte einfach, dass die Pflege aufgrund der Existenz der Pflegekammer in dem Bundesland besser dastehe als anderswo.