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Noch bleibt es ruhig im Heiligen Land

Die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat weltweit Angst vor einem neuen Gewaltausbruch ausgelöst. Im Moment jedoch erlebt man im Land eher Resignation statt Aufstand

© epd-bild / Thomas Lohnes

JERUSALEM – Bilder aufflammender Gewalt dominieren dieser Tage erneut das Bild vom Heiligen Land. Doch die Sorge vor einer neuen Intifada, eines gewalttätigen Palästinenseraufstands in Reaktion auf die US-amerikanische Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt, scheint sich bislang nicht zu bewahrheiten. Von bekannten Konfliktpunkten abgesehen, ist die Lage weitgehend ruhig. Deutsche Christenvertreter in Jerusalem äußerten die Hoffnung, dass dies auch so bleibt.
Manche Berichte zeichnen gegenwärtig ein Bild von Jerusalem und den Palästinensergebieten als Kriegsgebiet. Bewegt man sich unterdessen durch Städte wie Jerusalem oder Bethlehem, dominiert der friedliche Alltag. Je nach Ort deuten Hanukkaleuchter oder Weihnachtsdekorationen auf die bevorstehenden Feiertage. Anhaltende Pilgerströme sind Ausdruck der Hochsaison.  

Trotz allem: Die Pilger kommen zu Weihnachten

„Sehr viele Menschen aus aller Welt fragen uns, ob es sicher sei. Auch in diesen Tagen sagen wir, dass es relativ ruhig ist“, sagt der deutsche Pater Andreas Fritsch vom „Christian Information Center“, dem Jerusalemer Pilgerbüro der Franziskaner. Die Menschen hier seien müde und wollten ihre Ruhe haben.
 Zweifellos ist es in den Tagen seit US-Präsident Donald Trumps Jerusalemerklärung zu Gewalt gekommen: Palästinensische Demonstranten stießen wiederholt mit der israelischen Armee zusammen, die mit Tränengas, Gummigeschossen und teilweise mit scharfer Munition gegen die Protestierenden vorging. Die Konfliktparteien sind dabei ebenso wie die kritischen Orte und Zeiten bekannt, vergleichbare Szenen in dem jahrzehntealten Konflikt vertraut.  
Trump habe Gewalt provoziert, sagt der Propst der Evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem, Wolfgang Schmidt. Aber auch wenn „die Wut der Palästinenser noch nicht verraucht“ sei, scheine es in Jerusalem wieder ruhiger zu werden.  
„Ich habe selber gesehen, dass zwar viele Medienvertreter auf etwas gewartet haben, es aber eigentlich kein größeres Problem gegeben hat“, sagt Pater Andreas Fritsch. Auch wenn es schwer abschätzbare äußere Faktoren gebe, glaube er, „dass es ruhig bleiben wird“.  
Diese Einschätzung teilt der Prior der deutschsprachigen Benediktiner­abtei Dormitio, Nikodemus Schnabel. Er sehe „keine Gefahr einer Dritten Intifada, sondern eher eine wachsende spürbare Resignation“ unter den Palästinensern, die dringend „eine Hoffnungsperspektive mit Zukunft“ bräuchten.  Im Heiligen Land ist es ruhig, sagt auch der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar. Trotz nachvollziehbarer Freude vieler Israelis und verständlichem Ärger und Enttäuschung auf palästinensischer Seite hält Bugnyar es weiterhin für möglich, „dass beide Völker hier ihre Regierungen haben, die einen im Westen, die anderen im Osten. Und die Altstadt könnte beiden gehören.“ Für Juden und Muslime „war Jerusalem Hauptstadt und wird es bleiben. Und wir Christen feiern Weihnachten wie jedes Jahr.“

Arabische Christen: zwischen allen Stühlen

Die Rolle der christlichen Minderheit als Vermittler im Konflikt sieht Bugnyar dabei als schwierig an. „Wer glaubt, dass Christen hier eine Brücke sind zwischen Juden und Muslimen, irrt gewaltig.“ Die Christen selbst sähen sich als Teil des palästinensischen Volkes, würden von muslimischen Palästinensern aber „in erster Linie als Christen, nicht als Palästinenser“ wahrgenommen.
Umgekehrt sähen die Israelis die einheimischen Christen „zuerst als Araber und damit als ein potenzielles Sicherheitsrisiko“. „Sie sitzen in Wahrheit zwischen allen Stühlen“, so Bugnyar.  
Für den evangelischen Propst Schmidt fühlen sich die einheimischen Christen zusätzlich verraten durch die Unterstützung, die die Israel-Politik des amerikanischen Präsidenten von evangelikalen Christen in den USA erhält.  
Für die Christen Jerusalems heiße es jetzt, „noch glaubwürdiger zu leben, was sie politisch fordern und vertreten“, sagt Nikodemus Schnabel: „Eine offene, internationalisierte Stadt, die keiner der drei großen monotheistischen Religionen allein gehört und die es nicht verdient hat, nationalistisch kleinkariert verengt zu werden.“ (Kommentar Seite 5)