Jede und jeder Dritte in Deutschland befürchtet, wegen Folgen der Klimakrise eines Tages umziehen zu müssen. Derweil versuchen Aktivistinnen und Forscher, mit Schonungslosigkeit zu entschlossenem Handeln zu bewegen.
Werden deutsche Städte wie Hamburg und Bremen in zehn bis fünfzehn Jahren untergegangen sein, versunken in Wassermassen? Was für manche wie ein Szenario aus einem Science-Fiction-Film klingen mag, halten viele Fachleute für wahrscheinlich – zumindest dann, wenn im Hochwasserschutz nicht viel geschieht. Ein Forschungsteam hat sich nun mit der Frage befasst, warum nicht nur in diesem Feld zu wenig gehandelt wird.
Einen entscheidenden Knackpunkt sehen sie in der Kommunikation rund ums Klima: Könnte die Auseinandersetzung mit möglichen Katastrophen stärker motivieren als die Suche nach Hoffnungszeichen? Der Fachbegriff dafür lautet “paradoxe Kommunikation”. Am Samstag haben wurden die Ergebnisse in Hannover vorgestellt.
Um Panikmache gehe es nicht, betont Gerriet Schwen, aus sozialwissenschaftlicher Perspektive federführend am Projekt “Klima, Kollaps, Kommunikation” beteiligt. Derzeit scheine es jedoch umgekehrt eine Art “höfliche Notwendigkeit” zu sein, dass etwa am Ende von Vorträgen betont werde, wo man Hoffnung sehe – egal, wie verstörend die vorgestellten Daten gewesen seien. “Dahinter steht wohl die Annahme, dass Menschen sonst ganz aufgeben.”
Allerdings habe die bisherige Form der Klimakommunikation “offensichtlich nicht ausgereicht”, kritisiert Schwen. “Wir haben seit mehreren Jahrzehnten sehr genaues Wissen darüber, wie schädlich Treibhausgase wirken. Dennoch steigen die Emissionen mehr oder weniger stetig an.” Es werde aber kaum gesprochen, wofür es bereits zu spät sei oder welche Tier- und Pflanzenarten bereits ausgestorben seien. “Wenn man Menschen aber schockiert und berührt, könnten sie merken: wow, darum geht’s, dann möchte ich mich noch viel mehr einsetzen.”
Aus der Psychologie ist bekannt, dass Verdrängung langfristig eher Probleme schafft als löst – und dass Veränderung erst dann möglich wird, wenn man sich Schwierigkeiten stellt. Schwen überträgt dies auf den Umgang mit dem künftigem Klimachaos: “Wenn wir anerkennen, was ist, können wir realistische Handlungsspielräume ausloten und angemessene Strategien finden.” Derzeit sei es jedoch allzu leicht, das Problem herunterzuspielen mit Sprüchen wir: “Wir hatten immer schon mal lange Sommer” oder “Es regnet halt grad viel”.
Dazu trügen auch falsche Vorstellungen von einem Klima-Kollaps im spektakulären Hollywood-Stil bei. Die Forschung betrachtet die Klimakrise dagegen als Prozess – nicht wenige sagen, dass die Menschheit längst mittendrin steckt. Etwa in der Pazifik-Region, wo bereits ganze Inseln untergegangen sind, zeigt sich dies “viel direkter” als in Europa, sagte Kardinal John Ribat aus Papua-Neuguinea kürzlich dem Portal domradio.de: “Wir verlieren unsere Heimat.”
Verluste zu betrauern und Ängste zuzulassen, halten auch die Fachleute aus Hannover für bedeutsam. Neben der Überlegung, wie ehrlich und konfrontativ die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Thematik sein dürfe, habe man sich auch gefragt: “Wie emotional darf es sein? Wie viel Raum für Trauer braucht es? Und wie können wir Rituale schaffen – in einer Kultur, in der wir viele Rituale verloren haben?” Schwen sagt von sich selbst, durchaus Hoffnung zu haben – “aber nicht im Sinne eines faulen Optimismus”.
Allein die Sprache sei mitunter ein “Hindernis für eine offene gesellschaftliche Debatte und die notwendigen politischen und rechtlichen Regelungen”, sagt der Sprachwissenschaftler Balint Forgacs. Begriffe wie “tödliche Klimazerstörung”, “globale Verbrennung” oder direktere Formulierungen wie “Hochofeneffekt” könnten die Risiken des Klimawandels deutlicher machen.
Auch schlägt der Neurolinguist vor, Begriffe aus der Medizin zu übernehmen – und etwa Kipppunkte bei einer klimatischen Entwicklung als “Metastasen” zu bezeichnen. Der Ausdruck meint ursprünglich Ableger eines krankhaften Geschehens, mit denen die Erkrankung – meist Krebs – einen anderen Körperteil erreicht. Bislang nutzten Fachleute oft eine “technisch-jargonhafte Sprache”, die es für Menschen mit weniger Expertise erschwere, “die Auswirkungen der Klimakrise vollständig zu begreifen”.
Zugleich warnen Fachleute, dass “hochtrabende Rhetorik” auch spaltend wirken könne. Das sagte der Neurowissenschaftler Kris De Meyer unlängst der “Süddeutschen Zeitung”. Der größte Teil der menschlichen Fähigkeit, mit Problemen umzugehen, komme zudem daher, “dass wir sehen, wie andere Menschen ein Problem lösen”, sagt der Wissenschaftler. Dieses sogenannte soziale Lernen könne auch aus einer zunehmenden Hoffnungslosigkeit herausführen.