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“Mithelfen sollte Normalität sein”: Steinmeier wirbt für Pflichtzeit

Erneut spricht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für einen verpflichtenden Sozialdienst ausgesprochen. Die Caritas ist anderer Meinung.

Für eine Pflichtzeit, abzuleisten etwa in einem Krankenhaus, spricht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus
Für eine Pflichtzeit, abzuleisten etwa in einem Krankenhaus, spricht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausImago / Wavebreak Media Ltd

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat erneut für die Einführung einer sozialen Pflichtzeit geworben und die gesellschaftliche Bedeutung eines solchen Vorhabens betont. „Eine soziale Pflichtzeit könnte dazu beitragen, dass wir uns – mindestens einmal im Leben – für einen Zeitraum Menschen widmen, mit denen wir im Alltag sonst wenig zu tun haben“, sagte er bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sprach sich gegen eine Pflichtzeit aus.

Steinmeier warnte vor den Gefahren, die eine zunehmend individualisierte Gesellschaft mit sich bringe. Wenn soziale Bindungen verloren gingen und Menschen sich in ihre „Blasen“ zurückzögen, drohten Mitgefühl und Verständnis füreinander zu schwinden.

Steinmeier: Ehrenamt bleibt Rückgrat der Gesellschaft

Zwar bleibe das Ehrenamt weiterhin das Rückgrat der Gesellschaft, aber die Ehrenämter verteilten sich aufgrund der alternden Gesellschaft auf immer weniger Schultern, gab Steinmeier zu bedenken. Viele junge Menschen engagieren sich demnach zwar, aber viele von ihnen tun das lieber „projektbezogen und punktuell“ als in den auf Dauer angelegten Organisationen, den klassischen Vereinen und Verbänden.

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa
Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaaepd-bild / Heike Lyding

Steinmeier sieht in der Pflichtzeit eine Chance, den Gemeinsinn zu stärken und Menschen dazu zu ermutigen, über den eigenen Tellerrand zu schauen. „Mithelfen und Mitgestalten sollten Normalität für alle sein“, forderte er.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, kritisierte, dass die Struktur der Freiwilligendienste gegenwärtig vor allem durch drohende Haushaltsrestriktionen gefährdet sei. „Was mich aufregt, ist, dass wir in einem mehrjährigen Dialog über Pflichtzeit sprechen, gleichzeitig aber zulassen, dass das wunderbare System der Freiwilligendienste schlicht kaputtgespart wird“, sagte sie.

Bund kürzt beim Freiwilligen Sozialen Jahr

Der Entwurf des Bundeshaushalts 2025 sieht im Vergleich zu 2024 für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und den Bundesfreiwilligendienst (BFD) Mittelkürzungen von zwölf Prozent vor. Der Haushalt ist aufgrund des Zusammenbruchs der Ampelregierung bisher nicht beschlossen worden.
Welskop-Deffaa sprach sich klar gegen die Einführung einer sozialen Pflichtzeit aus. Sie erinnerte daran, dass in Deutschland das Prinzip der Freiwilligkeit bei staatsbürgerlicher Verantwortung gelte. Deshalb gebe es auch keine Wahlpflicht, sondern ein Wahlrecht.

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), sprach sich für eine Mischung aus Pflicht und Freiwilligkeit aus, bei der junge Menschen zwischen verschiedenen Bereichen wie Umwelt, Kultur, sozialen Diensten oder der Bundeswehr wählen könnten.

900.000 Menschen leisten Freiwilligendienst

Sie gab jedoch zu bedenken, dass die Bundeswehr derzeit mit der Aufnahme eines ganzen Jahrgangs überfordert wäre. Es fehle an Uniformen, Ausbildern, Stuben und Gerät, sagte Högl. Es sei nicht sinnvoll, wenn junge Menschen etwa ihren freiwilligen Wehrdienst im Panzerbataillon nicht sinnstiftend ableisten könnten, weil es nicht genügend Panzer gebe.

Bundespräsident Steinmeier hatte 2022 einen sozialen Pflichtdienst für junge Menschen vorgeschlagen. In Deutschland leisten nach Angaben des Bundesfamilienministeriums jährlich etwa 90.000 Menschen einen Freiwilligendienst, wie beispielsweise das Freiwillige Soziale Jahr.