Die Gefahr sehen alle drei Minister: Eine neue Debatte, besonders über die Abtreibungsregelung, darf nicht zu neuen Spaltungen führen. Die Regierung werde sich auch deshalb Zeit nehmen, um die Vorschläge zu prüfen.
Vertreter der Bundesregierung haben mit Zurückhaltung auf den Bericht einer Kommission zur Reform der Abtreibungsregelung reagiert. Die Bundesminister Karl Lauterbach (Gesundheit/SPD), Lisa Paus (Familie/Grüne) und Marco Buschmann (Justiz/FDP) nahmen am Montag den Abschlussbericht der von der Regierung eingesetzten Expertenkommission entgegen. Alle drei Minister betonten, eine Debatte über die Themen dürfe nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Die Bundesregierung werde sich Zeit nehmen, um den über 600 Seiten umfassenden Bericht zu prüfen.
Die wissenschaftliche Expertise sei eine wesentliche Hilfe, um die komplexen Fragen zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzung zu beantworten, erklärte Lauterbach in Berlin. Am Ende brauche es dafür einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens. Die Kommission hatte Vorschläge zu den Themen Abtreibung, Leihmutterschaft und Eizellspende vorgelegt.
Er sehe aber jetzt schon Handlungsbedarf bei der Versorgung mit Kliniken, die eine Abtreibung durchführen könnten, so Lauterbach. Dies habe eine in der vergangenen Woche vorgestellte Studie gezeigt. Vor allem in Süddeutschland sei es für ungewollt Schwangere schwierig, in der vorgegebenen Zeit eine Praxis zu finden. Das sei nicht akzeptabel.
Paus bezeichnete die Empfehlungen als “gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs”. Zurückhaltender äußerte sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). “Inwieweit es möglich wäre, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln, ist eine äußert anspruchsvolle rechtliche, aber vor allem auch ethisch äußerst sensible und bedeutsame Frage”, sagte er.
Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie Gesetzentwürfe zu den Themen vorlegt. Die Kommission schlägt eine Liberalisierung des Abtreibungsregelung vor, eine Aufhebung des Verbots der Eizellspende sowie eine mögliche Freigabe der nicht-kommerziellen Leihmutterschaft. Die Entscheidungen seien einstimmig gefallen, so das Gremium.
Eine Abtreibung ist derzeit in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Die Kommission unterteilt die Schwangerschaft in drei Phasen: Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten 12 Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig. Bei medizinischer oder kriminologischer Indikation müsse es zudem weiterhin Ausnahmen geben, auch in späteren Phasen der Schwangerschaft.
Die Mitglieder der Kommission empfehlen dem Gesetzgeber zudem, die Eizellspende zuzulassen. Eine gesetzliche Grundlage müsse dann darauf beruhen, dass der notwendige Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet würden, sagte die zuständige Sprecherin der Arbeitsgruppe, Claudia Wiesemann.