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Menschenrechtler kämpft in Berlin für LGBTQ-Rechte in Uganda

In seinem Heimatland drohen Edward Mutebi fürs Schwulsein drakonische Strafen. Gemeinsam mit seiner NGO hat er gegen das Anti-Homo-Gesetz in Uganda geklagt – ohne Erfolg. Trotzdem kämpft der Katholik weiter.

Es war ein Vorfall vor etwa sechs Jahren, der Edward Mutebi aus Uganda zur Flucht nach Deutschland bewegte. Um zwei Uhr nachts verlassen der damals 25-Jährige und ein guter Freund eine queere Bar in Kampala, um mit einem Motorrad-Taxi, einem “Bodaboda”, nach Hause zu fahren. Nicht nur Lesben, Schwule und Trans-Menschen kennen die Bar, die Mutebi als Ort sieht, “an dem queere Menschen zusammenkommen, trinken, tanzen und glücklich sein können”. Auch andere Zeitgenossen wissen darum, wie der Bodaboda-Fahrer.

Es sei dunkel gewesen, als der Fahrer ihn und seinen Freund zu einer Bodaboda-Gang gefahren habe, schildert der heute 32-Jährige auf einer Berliner Parkbank die Geschehnisse. Er trägt ein weiß-blaues Hemd, hat einen festen, wachen Blick und Lachfältchen um die Augen.

Der Fahrer habe der Gang erzählt, wo er die beiden aufgegabelt habe. “Und bevor wir wussten, wie uns geschieht, fingen acht bis zehn Männer an, auf uns einzuschlagen und einzutreten.” Ein Fluchtversuch sei gescheitert, die Angreifer hätten sie auf ihren Motorrollern verfolgt. Als einer der Männer ihn auf den Boden geworfen habe, sei er ohnmächtig geworden, beschreibt Mutebi das Ende der Jagd. Das Bewusstsein kehrte erst zurück, als er Tage später mit zahlreichen Verletzungen in seinem Bett aufwachte. Freunde pflegten ihn gesund.

Edward Mutebi ist schwul. Bereits vor der Attacke wurde er mehrfach festgenommen, von der Polizei oder von Gangs drangsaliert. Auch deshalb gründete er 2015 die Organisation Let’s Walk Uganda (LWU), deren Direktor er seitdem ist. Das ostafrikanische Land sorgte im Mai 2023 weltweit für Schlagzeilen, als Präsident Yoweri Museveni eines der drastischsten Gesetze gegen Homosexualität weltweit unterzeichnete. Es sieht langjährige Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe für “verschärfte Formen von Homosexualität” vor.

Mutebi und seine Organisation hatten sich an einer Sammelklage gegen das international kritisierte Gesetz beteiligt. Nun hat das Verfassungsgericht den Antrag abgewiesen: Das verabschiedete Regelwerk werde weder aufgehoben noch ausgesetzt, teilte das Gericht am Mittwoch in Kampala mit.

Für Mutebi und seine 14 LWU-Teammitglieder und queere Menschen in Uganda ein herber Schlag. Die Organisation kämpft mit einer Reihe von Projekten für die Rechte queerer Menschen; will Stigmatisierung abbauen, Diskriminierung bekämpfen und Leidtragende praktisch unterstützen. Dazu gehört etwa Rechtsbeistand in brenzligen Lagen oder Aufklärung zu sexuell übertragbaren Krankheiten.

Das letztes Jahr verabschiedete Gesetz ist nur in Teilen neu. Es geht zurück auf einen Vorläufer aus der Kolonialzeit, der homosexuelle Handlungen in Uganda für illegal erklärte. Ein Verstoß konnte mit lebenslanger Haft geahndet werden. Die Verschärfung sieht nun auch Haftstrafen von bis zu 20 Jahren für Personen oder Gruppen vor, die sich für Queere einsetzen. Damit ist potenziell ebenfalls von Strafverfolgung bedroht, wer sie medizinisch behandelt, ihnen Arbeit gibt oder eine Wohnung vermietet.

Auch die Aktivitäten von LWU und anderen Organisationen gelten somit als illegal. Regelmäßig würden seine Kolleginnen und Kollegen bedroht, mehrfach hätten sie Droh-Anrufe und -Mails erhalten, berichtet Mutebi. “Aber wir lassen uns nicht abschrecken. In dem Moment, in dem wir aufhören, wären viele LGBTQ-Leben in Gefahr.”

Wie fast die Hälfte der ugandischen Bevölkerung wuchs Mutebi katholisch auf, seine Eltern gehören der römisch-katholischen Kirche an. Als Heranwachsender habe er eine starke Gottesliebe empfunden, erinnert sich Mutebi. Nicht nur Gottesdienste besucht, sondern auch im Chor gesungen und in seiner Freizeit die Bibel gelesen; sie “von A bis Z” gekannt. “Ich liebte alles, was ich in der Kirche tat, das war eine Leidenschaft.”

Doch inzwischen hat er mit der Kirche gebrochen. Das liegt vor allem an der Rolle, die ugandische Vertreter der katholischen wie auch anderer Kirchen für Menschen wie ihn spielen: Sie hätten es sich zur Aufgabe gemacht, in hasserfüllten Predigten gegen Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten zu hetzen. Als das Anti-Homo-Gesetz verabschiedet wurde, drückte der Erzbischof der anglikanischen “Kirche von Uganda”, Stephen Kaziimba, gegenüber dem Präsidenten seine Dankbarkeit dafür aus.

Vor diesem Hintergrund bezeichnet Mutebi die im Dezember veröffentlichte und seither umstrittene Vatikan-Erklärung “Fiducia supplicans” als wichtigen Fortschritt. Das Schreiben empfiehlt Priestern erstmals die Segnung homosexueller, unverheirateter und wiederverheirateter Paare. Der Widerstand dagegen ist nirgends so stark wie unter afrikanischen Bischöfen; in Uganda forderten etliche gar eine Loslösung von Rom. Mutebi erklärt, das Anliegen scheitere insofern an der Realität: Katholische Priester in Uganda weigerten sich, solche Segnungen vorzunehmen. Oder betroffene Paare trauten sich gar nicht erst, Kirchen zu betreten.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes in Uganda sind Armut, Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit unter LGBTQ-Menschen stark gestiegen. Auch Gewalttaten gegen sie haben nochmals zugenommen. So verzeichnete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Awareness and Promotion Forum allein im Monat Februar 32 Zwangsräumungen von Mietobjekten, in denen LGBTQ-Personen wohnten, 24 Fälle von Gewalt und Gewaltandrohung sowie drei Verhaftungen aus sexualitätsbezogenen Gründen.

Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. “Das Gesetz tut alles dafür, LGBTQ-Menschen quasi jegliche Lebensgrundlage zu entziehen”, sagt Mutebi. Zudem lockten schwulenfeindliche Untergrundgruppen mit Fake-Accounts auf queeren Dating-Apps immer wieder Menschen in Fallen: Am Treffpunkt des vermeintlichen Dates würden sie verprügelt, festgenommen oder erpresst.

Als die Gesetzesverschärfung in Kraft tritt, ist Mutebi selbst längst geflohen. 2018 kam er nach Deutschland. Nach einigen Monaten in einer Geflüchtetenunterkunft in Bayern gewährte ihm der deutsche Staat Asyl. Seit drei Jahren lebt er in Berlin hat vor kurzem seinen Master in Sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Menschenrechte abgeschlossen. Er plant eine Promotion und arbeitet nebenher für die Berliner Schwulenberatung.

Auf seinem Handy zeigt Mutebi ein Video. Zu sehen ist ein ugandischer Pfarrer, der aufgebracht und mit erhobener Stimme zu einer Menschenmenge predigt. Er ruft dazu auf, Homosexuelle zu töten – und bezieht sich dabei auf die Bibel. “Seid ihr bereit?”, fragt er die aufgeheizte Menge aus überwiegend Männern, die daraufhin brüllt: “Wir sind bereit!” In anderen Beiträgen sprechen Vertreter verschiedener Kirchen etwa über Pläne, LGBTQ-Menschen zu jagen und zu töten, oder vergleichen sie mit Kakerlaken. “Was für eine Religion ist das?”, fragt Mutebi entsetzt.

Was hat das mit seiner eigenen Religiosität gemacht? Er versuche, den Glauben und die Institution Kirche voneinander zu trennen, antwortet Mutebi nachdenklich. Dass es etwas Heiliges gebe, ein höheres Wesen, einen Gott, daran glaube er nach wie vor. In Deutschland gehört er auf dem Papier weiter der katholischen Kirche an, zahlt Kirchensteuer.

In Uganda hat LWU unterdessen ein neues Projekt namens “Reimagining Uganda” auf den Weg gebrachtwas so viel bedeutet wie: sich ein anderes Uganda vorstellen. Geplant sind unter anderem Gespräche mit führenden Politikern und Vertretern von Religionsgemeinschaften. “Kirchenführer haben so viel Macht und so viel zu sagen”, sagt Mutebi. “Die Leute hören ihnen zu. Wir brauchen sie, um den homophoben Konsens zu brechen.”