Es war nur eine kleine Meldung, leicht zu überlesen. Und doch verkündete sie Erstaunliches, etwas, das noch vor wenigen Jahren kaum möglich gewesen wäre: Am 15. September werden die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) in Berlin feierlich eine Vereinbarung zu Predigtgemeinschaft und Kanzeltausch würdigen. Und damit Kirchengeschichte schreiben. Denn damit begraben, jedenfalls auf Leitungsebene, die etablierten Landeskirchen und 15 in Tradition und geistlicher Ausprägung sehr verschiedene Freikirchen und Gemeindeverbände ihre viele Jahre gepflegten gegenseitigen Vorbehalte.
Doch bei aller Freude über jegliches Aufeinanderzugehen von Kirchen bleiben Fragen: warum und warum jetzt? Gibt es doch schon seit Langem eine Zusammenarbeit der meisten Unterzeichner dieser Erklärung in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.
Sind es die abnehmenden Mitgliederzahlen und die schwindende Bedeutung des Christentums, die alle treffen? Ist es ein allgemeiner Mangel an Predigtpersonal? Und reicht diese Sorge aus, um nun das jeweilige geistliche Profil infrage stellen zu lassen? Denn eine Predigtgemeinschaft ist mehr als eine Zusammenarbeit. Sie ist ein wichtiger Schritt hin zu einer vollen Kirchengemeinschaft.
Ein halbes Jahrtausend bis zur Leuenberger Konkordie
Damit taten sich die Nachfahren der Reformation untereinander über Jahrhunderte schwer. Fast ein halbes Jahrtausend brauchte es, bis sich 1973 lutherische und reformierte Kirchen zur vollen Gemeinschaft auf der Kanzel und beim Abendmahl in der Leuenberger Konkordie durchringen konnten. 1987 wurde diese Gemeinschaft zwischen der EKD West und der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland begründet, ein Jahr später folgte die Meißner Erklärung, in der die EKD West, der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR sowie die anglikanische Kirche von England sich auf die volle Kirchengemeinschaft verständigten. Dabei stand jedesmal nach langen Gesprächen die Einsicht, dass diese Kirchen eigentlich nichts Wesentliches trennt.
Darum ist es so erstaunlich, dass bei dieser künftigen Predigtgemeinschaft auch Freikirchen dabei sind, die bisher so gern die Eigensicht als die bessere christliche Gemeinschaft betont haben – wie auch die Landeskirchen auf Abstand zu ihnen geachtet haben.
Die gute Nachricht „richtig“ verkündigen
Was bei anderen als ein deutliches Zeichen des Aufeinanderzugehens von Frei- und Landeskirchen gewertet werden kann, droht bei jüngeren Abspaltungen zur Farce zu werden. Denn Kanzeltausch und Predigtgemeinschaft setzen ja voraus, dass alle Beteiligten anerkennen: Auch bei den anderen wird die Gute Nachricht von Jesus Christus „richtig“ verkündet.
Sinn macht diese neue Vereinbarung nur, wenn sie gepaart ist mit einer wachsenden Neugier auf andere geistlichen Sichtweisen in den beteiligten Gemeinden und bei den dortigen Predigtbeauftragten. Und das ist ein rares Gut.