In Damaskus wird das Ende der Assad-Ära gefeiert. Außenministerin Baerbock warnt, Syrien dürfe nun nicht in die Hände “anderer Radikaler” fallen. In Deutschland geht es derweil um Migration – mit unterschiedlichem Tenor.
Eine gute Nachricht und ein erstes großes Aufatmen für Millionen Syrer: Die Bundesregierung hat mit Erleichterung, aber auch Warnungen vor einer ungewissen Zukunft auf die jüngsten Entwicklungen in Syrien reagiert. Am selben Tag, als Menschen in Damaskus und anderswo nach dem Vorrücken von islamistischen Rebellen ein Ende der Herrschaft des langjährigen Machthabers Baschar a-Assad feierten, flammte in Deutschland erneut eine Migrationsdebatte auf. Sie dreht sich um mögliche Fluchtbewegungen aus dem Land heraus, aber auch um die Rückkehr von Menschen aus Syrien in ihre Heimat.
Am Wochenende waren Dschihadisten bis in die Hauptstadt Damaskus vorgerückt. Der Verbleib des offenbar geflohenen Assad war zunächst unbekannt. Die islamistischen Rebellen waren seit Ende November in einer Offensive in dem Land vorgerückt. Am Sonntag gab es Medienberichte, wonach in Damaskus und anderswo Menschen auf den Straßen das Ende der Assad-Zeit feierten.
Das “Ende der Assad-Herrschaft” sei eine gute Nachricht, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag in Berlin. Assad habe sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt, unzählige Leben auf dem Gewissen und zahlreiche Menschen zur Flucht getrieben. “Jetzt kommt es darauf an, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt werden. Alle Religionsgemeinschaften, alle Minderheiten müssen jetzt und in Zukunft Schutz genießen.”
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem “ersten großen Aufatmen” für Millionen Syrer. Zugleich betonte sie, das Land dürfe jetzt nicht in die Hände “anderer Radikaler fallen – egal in welchem Gewand”. Nötig sei jetzt ein “umfassender Schutz von ethnischen und religiösen Minderheiten wie Kurden, Alawiten oder Christen und ein inklusiver politischer Prozess, der einen Ausgleich zwischen den Gruppen schafft”. Auch sei die internationale Gemeinschaft gefragt, damit Syrien aus einem Kreislauf von Krieg und Gewalt herauskomme. Dazu gebe es derzeit intensive Abstimmungen.
Das Innenministerium teilte den Zeitungen der Funke Mediengruppe mit: “Ob sich aus dieser Lage Fluchtbewegungen in der Region oder aus der Region hinaus ergeben, ist zur Zeit noch nicht vorhersehbar.” Das gelte auch für Möglichkeiten von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr. In die Prüfung möglicher Abschiebungen würden aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse einbezogen.
Der Konstanzer Migrationsexperte Daniel Thym sagte der “Welt”, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge alle laufenden Asylverfahren von Syrern vorerst zurückstellen solle. “Die Situation ist viel zu volatil und es wäre nicht richtig, jetzt neu einreisenden Asylbewerbern einen Schutzstatus zuzusprechen, der ihnen einen legalen Aufenthalt sichert.” Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth warnte auf Spiegel online “vor einer populistischen Debatte mit dem Tenor: Jetzt müssen alle sofort wieder zurück”. Aus den Reihen etwa von der Union hatte es Rufe nach einer Rückkehr von Flüchtlingen gegeben, sofern die Lage in Syrien stabil sei.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte der “Rheinischen Post” (Montag): “Heute ist ein Tag der vorsichtigen Hoffnung auf einen friedlichen Übergang, der allen Religionen und Ethnien gleiche Rechte sichert und der frei von Rachegedanken ist.” Dirk Bingener, Präsident des katholischen Hilfswerks missio Aachen, erklärte: “In dieser unübersichtlichen und dynamischen Lage gilt es besonders auf den Schutz von Minderheiten zu achten.” Man sei erleichtert, dass es bisher keine Gewalt gegen die christliche Minderheit gegeben habe.