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Krieg und Mauer sind keine Lösung

Kadra Zreineh ist christliche Palästinenserin. Auf einem Studientag in Gütersloh berichtete sich über den Alltag in Bethlehem und ihren Einsatz für ein friedliches Zusammenleben

GÜTERSLOH – „Ich bin Palästinenserin mit einer deutschen Heimat“, sagt Kadra Zreineh. Seit 1978 lebt sie in Beit Jala unweit von Bethlehem. Ihr Vater war 1956 von Palästina nach Deutschland ausgewandert, um hier zu arbeiten. Den Urlaub verbrachte die Familie jedes Jahr in der Heimat der Eltern. 1978 blieben sie am Ende der Ferien in Bethlehem. Damals war sie ein 16 Jahre altes Mädchen.
Die Verbindungen zu ihrer deutschen Heimat bestehen bis heute: „Ich habe gefeiert, als die Mauer in Berlin gefallen ist“, erzählt die christliche Palästinenserin, die in westfälischen Kirchengemeinden vom Alltagsleben in Bethlehem berichtete. Damals hätte sie nicht glauben können, dass es eines Tages eine Mauer um Bethlehem herum geben würde.
Im Juni 2002 begann jedoch der Bau der israelischen Sperranlagen, die Israel und die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete trennt. Die neun Meter hohe Mauer umgibt heute nicht nur Bethlehem, sondern Teile ganz Palästinas. Davon sind in der Westbank fast drei Millionen Menschen betroffen, die die Mauer nur mit Genehmigung passieren dürfen. Kadra Zreineh erlebt es fast täglich, wie schwer es ist, als Minderheit dort zu leben.
„Weihnachten kommen Christen aus Israel nach Bethlehem, aber wenn wir Ostern nach Jerusalem wollen, müssen wir auf eine Genehmigung warten, die nur teilweise ausgestellt wird“, sagt sie. Eine ganze Familie bekomme niemals eine Erlaubnis, gemeinsam Jerusalem zu besuchen. Die Stadt liegt nur acht Kilometer von Bethlehem entfernt.
„Wann verstehen die Menschen, dass Krieg und Mauer keine Lösung sein können?“, fragt Kadra Zreineh. Sie selbst engagiert sich für Verständigung zwischen den Konfliktparteien und Konfessionen. Die Katholikin kann von vielen persönlichen Erfahrungen berichten, die zeigen, dass Begegnungen zwischen Palästinensern und Israelis möglich sind und zum Frieden beitragen. Sie helfen, Klischees und Vorurteile zu überwinden, mit denen sie auch als Christen konfrontiert werden: „Für Israel sind wir die Palästinenser und für Muslime sind wir die Christen, die ihre Kinder nicht zum Jihad (Kämpfen) schicken.“ Denn für sie ist es wichtig, dass die Jugendlichen eine zukunftsweisende Bildung erhalten, statt Steine zu werfen.
Eine solche Haltung ist für Christen vielfach mit beruflichen Nachteilen verbunden. Daher wandern palästinensische Christen nach Europa aus. Aber, so betont sie: „In Palästina sind wir Christen das Salz der Erde. Ohne uns Christen ginge es dem Heiligen Land noch viel schlechter.“ Denn die Christen unterschieden sich von allen anderen vor allem dadurch, dass sie keinen Unterschied machten. „Unsere Organisationen, beispielsweise das Caritas-Baby-Hospital, helfen allen Menschen, ohne nach Religion oder politischer Richtung zu fragen.“
Kadra Zreineh wirbt dafür, dass ihre Zuhörer Friedensbotschafter werden – bei sich zuhause, in der Familie, in ihrer Umgebung und bei der Arbeit. So könne sich der Friede in der Welt ausbreiten.