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Kirchen in Hanau öffnen Türen für Trostsuchende

Religionsvertreter und Politiker reagieren entsetzt auf Anschlag in Hanau

Hanau/epd Angesichts des Gewaltverbrechens in Hanau mit elf Toten haben alle evangelischen Kirchen in der Stadt am heutigen Donnerstag ihre Pforten geöffnet. Man wolle den Menschen Orte bieten, an denen sie Trost finden könnten, sagte Martin Lückhoff, Dekan des Kirchenkreises Hanau, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den Kirchen lägen Texte aus, die für solche Krisenfälle vorbereitet seien.

Während der Nacht bis in die ­frühen Morgenstunden hinein seien insgesamt sieben Pfarrer als Notfallseelsorger vor Ort gewesen, sagte Lückhoff. Die Seelsorger hätten Angehörige, aber auch Rettungskräfte betreut. Er selbst stehe in Kontakt mit dem Büro des Oberbürgermeisters, auch mit der muslimischen Gemeinde sei eine Kontaktaufnahme erfolgt. Es zeichne sich ab, dass möglicherweise viele Jugendliche unter den Opfern seien.

In Hanau hatte ein Mann am Mittwochabend nach Polizeiangaben neun Menschen erschossen. Die Polizei fand den mutmaßlichen Täter und dessen Mutter danach tot in deren Wohnung. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen.

Reaktionen aus Kirche und Gesellschaft

Nach dem Anschlag in Hanau äußert sich Bischof Christian Stäblein: "Die Gewalttat von Hanau schockiert. Ich bin fassungslos über so viel Hass und Menschenverachtung. Und wenn es sich bewahrheitet, was jetzt angenommen wird, müssen wir uns dem Rechtsextremismus mit aller Entschiedenheit entgegenstellen. Niemand darf in diesem Land auf Grund seiner Herkunft oder Religion in Gefahr sein. In Gedanken und im Gebet bin ich bei den Opfern, die so grausam aus dem Leben gerissen wurden, und bei ihren Angehörigen."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zeigte sich fassungslos angesichts des Gewaltverbrechens. „Wer Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sät, muss auch damit rechnen, dass daraus brutale Gewalt erwächst“, schrieb Bedford-Strohm bei Facebook.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, warf den Behörden vor, die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus zu lange verharmlost und vernachlässigt zu haben. „Polizei und Justiz scheinen zudem häufig auf dem rechten Auge eine Sehschwäche zu haben“, sagte er in Berlin. Das räche sich jetzt.

Muslimische Verbände haben Politik und Gesellschaft nach der Gewalttat von Hanau aufgerufen, sich klar an die Seite der Muslime zu stellen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erklärte, wer antimuslimischen Rassismus nicht klar benenne oder verharmlose, mache sich mitschuldig an der blutigen Gewalt gegen Minderheiten.

Die evangelische Bischöfin von Kurhessen-Waldeck Beate Hofmann sagte, die vergangene Nacht habe das Leben in Hanau verändert. Die Evangelische Kirche werde sich ­weiter für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt einsetzen. Viele Kirchen der Stadt stünden zur Einkehr, zum Gebet und zum ­Gespräch offen. Die Stadt Hanau will am Donnerstagabend um 18 Uhr eine Mahnwache auf dem Marktplatz abhalten.

Diakoniepräsident Ulrich Lilie forderte nach der mutmaßlich fremdenfeindlich motivierten Gewalttat in Hanau einen gesellschaftlichen Zusammenhalt gegen rechts. „Es reicht. Spätestens jetzt muss jedem klar sein: Wer mit den Höckes spielt und auf Hass und Ausgrenzung setzt, schürt Gewalt und solchen Irrsinn“, erklärte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtverbandes.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland hat mit Entsetzen auf den Anschlag in Hanau reagiert. Unter den in Hanau getöteten Menschen seien auch junge Kurden, erklärte sie in Gießen. „Wir müssen die Bekämpfung des Rechtsterrorismus endlich ganz oben auf unsere politische Agenda stellen.“ Deutschland sei die Heimat vieler Menschen, die zugezogen sind und „dieses Land aufbauen, voranbringen und schützen“.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat nach der Gewalttat in Hanau eindringlich zu einer Mäßigung im politischen Diskurs aufgefordert. "Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum, sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima", erklärte Schäuble.

 Andachten und Demo 

Im Berliner Dom, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und der St. Marienkirche wird heute in den Andachten der Getöteten und ihrer Angehörigen gedacht: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche 17.30 und 18 Uhr Berliner Dom 18 Uhr

Heute Abend ist um 18 Uhr vor dem Brandenburger Tor eine Demo gegen Rassismus und rechten Terror. Die EKBO ruft dazu auf, daran teilzunehmen.