“Eine heitere Gelassenheit” – der katholische Hildesheimer Bischof Wilmer zieht im Interview eine positive Bilanz über den Evangelischen Kirchentag – und plädiert für gemeinsame Christentreffen beider Konfessionen.
Fünf Tage lang haben Christen in Hannover beim Deutschen Evangelischen Kirchentag über Fragen des Glauben und der Gesellschaft diskutiert. Mit dabei auch der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Auf dem Gebiet seines Bistums liegt die niedersächsische Landeshauptstadt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zieht er eine Bilanz des Treffens. Zudem äußert er sich zu der Debatte, wie politisch die Kirche sein darf.
Frage: Herr Bischof Wilmer, zum fünften Mal fand der Evangelische Kirchentag an seinem Ursprungsort hier in Hannover statt. Wie haben Sie das Christentreffen erlebt?
Antwort: Für mich war der Kirchentag in Hannover eine besondere Freude und Ehre, geradezu ein Privileg. Denn der Kirchentag fand hier erstmals 1949 statt; wir sind hier sehr ökumenisch verbunden. Ich habe auf dem Kirchentag auch viele Katholikinnen und Katholiken gesehen. Die Menschen kamen von überall her – ein großes Familientreffen. Das Wetter spielte mit, die Sonne hat überwiegend geschienen. Es hatte – wie die Italiener sagen – etwas von Serenità: eine heitere Gelassenheit.
Frage: Eine große Rolle auf dem Kirchentag und darüber hinaus spielt die Kritik von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, dass sich die Kirchen “wie eine NGO” zu sehr zur Tagespolitik äußern. Wie sehen Sie das: Wie politisch darf oder muss die Kirche sein?
Antwort: Wenn die Kirche dem Evangelium treu sein will, muss sie politisch sein. Dabei geht es aber um eine Perspektive, die alle Menschen betrifft. Die Kirche sollte sich grundsätzlich zurückhalten bei parteipolitischen Themen und bei Fragen, die Politiker mit ihrer Kompetenz besser beantworten können. Schon Jesus Christus hat auf eine Teilung der beiden Bereiche Wert gelegt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist. Daher haben Politik und Kirche eine unterschiedliche Verantwortlichkeit.
Frage: Es bleibt aber nicht aus, dass die Kirche dann doch mal eine größere Nähe zu einer Partei zeigt, oder auch eine größere Distanz.
Antwort: Die Kirche sollte bei sich und bei der Botschaft Gottes bleiben. Wenn dann Leute meinen, diese Position sei näher an dieser oder jener Partei, ist das deren Interpretation. Aber es wäre nicht gut, wenn die Kirche sich von vornherein auf die Seite einer Partei schlüge.
Frage: Angesichts des Ukraine- und Gaza-Kriegs spielt das Thema Krieg und Frieden auf dem Kirchentag eine bedeutende Rolle – und auch daneben. Pazifistische Gruppen haben parallel ein unabhängiges Friedenszentrum errichtet und in einem Appell eine Abkehr von Aufrüstung gefordert. Wo stehen Sie in der Debatte?
Antwort: Krieg ist nie gut. Kriege zu führen heißt immer verlieren. Ziel ist der Friede. Ziel muss sein, dass wir Menschen uns in die Augen schauen können, dass wir einander achten und mit Respekt begegnen. Unabhängig davon steht die Kirche dafür, dass der einzelne Mensch das Recht hat, sich zu verteidigen, wenn er angegriffen wird. Er kann als einzelner auch darauf verzichten und sagen: Ich halte auch die andere Wange hin. Trägt jemand aber Verantwortung für eine größere Gruppe, hat er oder sie die Pflicht, diese Gruppe im Falle eines Angriffs zu verteidigen.
Frage: Also halten Sie einen Waffeneinsatz unter bestimmten Bedingungen für legitim?
Antwort: Ja. Aber die Verteidigung hat mit Maß zu erfolgen. Wenn der Angriff etwa mit konventionellen Waffen erfolgt, dann darf man bei der Verteidigung nicht mit nuklearen Waffen antworten. Damit eine militärische Auseinandersetzung nicht eskaliert, muss jede Verteidigung immer wieder neu bedacht werden.
Frage: Bei Kirchen- und auch Katholikentagen geht es nicht nur um gesellschaftliche Fragen. Welchen Stellenwert messen Sie den Christentreffen generell bei?
Antwort: Einen großen Wert. Im Kern geht es um die Gottesfrage. Im Zentrum eines jeden großen Kirchentages steht der Glaube an Gott und die Hoffnung, dass er uns trägt. Das Motto des Kirchentags lautet ja “stark mutig beherzt” – und hier in Hannover wurde deutlich, dass wir diese Kraft im Letzten nicht aus uns selbst heraus generieren können, sondern die Unterstützung durch den Heiligen Geist brauchen.
Frage: Über die ökumenische Dimension des Kirchentags haben wir schon gesprochen. Es gab in der Vergangenheit auch schon konfessionsübergreifende ökumenische Kirchentage. Sollte man das mal wiederholen oder generell nur noch gemeinsam solche Treffen veranstalten?
Wilmer: Mit Blick auf unsere gute Ökumene hier in Deutschland plädiere ich auf jeden Fall dafür, dass alle Verantwortlichen noch intensiver prüfen, ob es in Zukunft gemeinsame Tage von allen Christinnen und Christen geben kann – wo wir als Gläubige zusammen Zeugnis für das eine Evangelium ablegen.