Die anhaltende Austrittswelle von Kirchenmitgliedern wird nach Aussage des katholischen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße enorme Auswirkungen auf das karitative Engagement der Kirchen haben. Austritte seien auch ein „klares Zeichen“ gegen Arbeitsfelder wie die Flüchtlingshilfe, sagte er am Mittwoch in Mainz beim neunten katholischen Flüchtlingsgipfel: „Man darf nicht so tun, als hätte das keine Auswirkungen.“
Heße erklärte, Ausgaben für die Flüchtlings- und Integrationsarbeit nützten der „Zukunft unseres Landes“. Daher sei es wichtig, dass sich die Kirche weiter für diese Themen engagiere. In einer Podiumsdiskussion mit der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Landkreistages, Götz Ulrich (CDU) aus Sachsen-Anhalt, forderte er die Politik auf, Erfolge bei der Integration von Migranten nicht kaputtzureden.
Die Mainzer Ministerin Binz übte scharfe Kritik am Koalitionsvertrag der neuen CDU-SPD-Bundesregierung. Insbesondere der Umgang mit den ehemaligen afghanischen Ortskräften von Bundeswehr und deutschen Organisationen komme einer „moralischen Bankrotterklärung“ gleich. „Wer irreguläre Migration begrenzen will, muss ja irgendwie reguläre Migration ermöglichen“, sagte sie zum Stopp der Aufnahme. Auswirkungen der von der Bundesregierung angeordneten verschärften Kontrollen an den Binnengrenzen zu den EU-Nachbarstaaten hätten in Rheinland-Pfalz bislang keine messbaren Auswirkungen auf die Zahl der Neuankömmlinge in der zentralen Flüchtlingserstaufnahme. Diese seien unter anderem wegen des Regimewechsels in Syrien deutlich zurückgegangen. Für die Menschen in den Grenzregionen seien die Kontrollen jedoch spürbar und ärgerlich.
Ulrich, der seit 2014 als Landrat im Burgenlandkreis amtiert, verteidigte die Maßnahmen der Bundesregierung. Selbst wenn es sich bei manchen Entscheidungen um „Theaterdonner“ handeln sollte, sei dies in der aktuellen Lage unverzichtbar, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht komplett zu gefährden. In Ostdeutschland herrsche bereits heute „fast eine vorrevolutionäre Stimmung“. Hätte die rheinland-pfälzische Ministerin ihre Thesen von der Diskussion in Mainz bei einer Bürgerversammlung in Sachsen-Anhalt vorgetragen, wäre sie vermutlich aus Sicherheitsgründen sofort danach unter Polizeischutz aus dem Saal gebracht worden.
Die Kommunen seien längst mit den Herausforderungen überlastet, schilderte Ulrich die Probleme seiner Verwaltungskollegen. Schulen und Kindergärten hätten keine Kapazitäten mehr, Sachbearbeiter müssten sich jeweils um Hunderte von Flüchtlingen kümmern. Im Osten gebe es auch bei der Mehrzahl der evangelischen und katholischen Christen keine Zustimmung mehr für die bisherige Migrationspolitik.