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Jurist Hillgruber wirft Abtreibungs-Initiative Irreführung vor

Grüne und SPD wollen die Abtreibungsgesetzgebung liberalisieren. Sie begründen das auch mit Grundrechten der Frau und rechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Doch täuschen die Politiker damit die Öffentlichkeit?

Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber wirft der jüngsten Initiative zur Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung Irreführung der Öffentlichkeit vor. Die Begründung des Vorstoßes, dass “die derzeitige Rechtslage gegen Grundrechte der Schwangeren verstoße und im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Deutschlands stehe”, treffe nicht zu, sagte der Vorsitzende der Juristenvereinigung Lebensrecht am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). SPD und Grüne hatten am Donnerstag unter anderem mit der Berufung auf völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands einen Antrag eingebracht, demzufolge Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche nicht mehr als rechtswidrig gelten sollen.

Die von den Urhebern des Gesetzentwurfs vertretene Auffassung, dass dem ungeborenen Menschen ein abgestuftes Lebensrecht zukomme, das erst mit der Geburt zu einem Vollrecht erstarke, sei zudem unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Laut Hillgruber macht die gegenwärtige Einordnung von Abtreibungen im Strafgesetzbuchs als “Straftaten gegen das Leben” deutlich, dass es sich bei einem Schwangerschaftsabbruch um “die Tötung eines ungeborenen Menschen” handle. Dem ungeborenen Menschen komme das eigene Lebensrecht schon aufgrund seiner Existenz zu und nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter.

Die Neuregelung löse den Schwangerschaftskonflikt dagegen einseitigen zulasten des Ungeborenen auf, so der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Das werde auch deutlich, wenn der Entwurf verlange, dass die verpflichtende Konfliktberatung “nicht an vorab festgelegten Zielsetzungen wie der Ermutigung zur Fortsetzung der Schwangerschaft orientiert sein” soll. Nach der bisherigen Rechtslage muss die Beratung die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen.

Die bisherige Rechtslage gewährleiste den geforderten Zugang zu medizinischen Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche sicher und straffrei vorgenommen werden könnten, so Hillgruber weiter. Auch Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, hätten lediglich prozedurale, leicht zu erfüllende Pflichten wahrzunehmen. “Wie die Statistik zeigt, errichtet das geltende Recht keine prohibitiv hohen Hürden für Schwangerschaftsabbrüche. Es kriminalisiert weder Frauen noch Ärzte, sondern – zu Recht – gegen Schwangere Gewalt verübende Männer.”