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Jetzt sind alle gefragt

Bei den Demonstrationen in Berlin geht es längst nicht mehr um das Für oder Wider von Corona-Maßnahmen. Wer jetzt nicht aufpasst, lässt fahrlässig das Unheil wieder aufmarschieren.

Die Bilder aus Berlin vom letzten Wochenende sind noch vor Augen. Einige hundert Menschen durchbrechen die Absperrungen und stürmen johlend die Treppen des Reichstagsgebäudes hinauf. Nur drei Polizisten sind vor Ort und verhindern, dass der Mob sich Zutritt verschafft. Mehr Polizei eilt herbei, und nach und nach werden die Demonstranten vertrieben.

Ein Sturm im Wasserglas, könnte man meinen. Wenn dabei nicht Reichsflaggen geschwenkt worden wären. Und wenn die Bilder nicht genau das erreicht hätten, was die Aktion vermutlich bezwecken sollte: maximale Aufmerksamkeit.

„Aktiv, entschieden und mutig müssen wir gemeinsam den Feinden unserer Demokratie die Stirn bieten“, erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Folge. Er nannte  den Vorfall „verabscheuenswürdig“ und „unerträglich“.
Auch die Kirchen äußerten sich. In einer Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) heißt es: „Gerade jetzt gilt es Farbe zu bekennen für den Erhalt unserer pluralistischen Gesellschaft.“ Für den katholischen Sozialbischof Franz-Josef Overbeck ist es „nicht hinnehmbar“, dass eine „Allianz aus Rechtsextremisten, Impfgegnern und Anhängern von Verschwörungsideologien“ die Symbole der Demokratie beschädige.

Videos und Fotos von der Demonstration, an der rund 38 000 Menschen teilnahmen, lassen den nüchternen Betrachter tatsächlich ratlos zurück. Hare-Krishna-Jünger tanzen neben Impfgegnern, Trump-Fans laufen neben Neonazis. Bill-Gates-Hasser demonstrieren gemeinsam mit Antisemiten, Hooligans und Reichsbürgern. Der „Sturm auf den Reichstag“ wurde von einer Heilpraktikerin aus der Eifel ausgerufen. Sie behauptete, Donald Trump sei in Berlin und werde die Weltverschwörung geheimer Eliten beenden.

All diese Menschen vereint vermeintlich der Aufstand gegen die Corona-Maßnahmen im Lande. Tatsächlich aber vergiften sie die Gesellschaft.
Erstaunlich dabei: Auch Christen laufen in Berlin mit, verteilen Bibelsprüche, tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Christen im Widerstand“. Fakt ist: Bei all dem vermischt sich Unwissen mit Lüge und Hass. Sorgen wegen der Corona-Krise vermengen sich mit rechtsextremer Weltsicht.

Natürlich hat jeder das Recht, die Regierung zu kritisieren. Aber die sich in Berlin versammelt haben, folgen den falschen Propheten. Es wird Zwietracht gesät, die Freundeskreise und Familien entzweit. Dagegen müssen Christen noch lauter ihre Stimme erheben. Und das nicht nur auf Ebene der EKD oder der Bischofskonferenz.

Alle sind gefragt. In jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde. Denn was bei den Demos derzeit geschieht, steht der christlichen Botschaft diametral entgegen. Es ist nichts von Liebe zu spüren, keine Barmherzigkeit, kein Evangelium. Die Bilder zeigen: Es wird verteufelt, geschrien und gespuckt.
Dialog gern, aber nicht so. Und nicht Seite an Seite mit Neonazis und Feinden einer offenen Gesellschaft, denen man nicht widerspricht.