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Islamverbände: Muslime kommen im Koalitionsvertrag nicht vor

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag breite Maßnahmen gegen den Islamismus angekündigt. Fragen zum muslimischen Leben in Deutschland kommen praktisch nicht vor. Islamische Verbände vermissen positive Signale.

Islamverbände haben sich vom Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD enttäuscht gezeigt. Der am Mittwoch veröffentlichte Vertrag thematisiere Muslime lediglich im Zusammenhang mit “negativ konnotierten Inhalten” wie Islamismus, Extremismus oder Prävention, kritisierte der Generalsekretär des Ditib-Bundesverbands, Eyüp Kalyon, am Donnerstag in Köln. “Dies ignoriert die rund 90 Prozent der Muslime, die sich als Teil dieses Landes sehen und einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten. Das ist keine positive Botschaft an die sechs Millionen Muslime in Deutschland und führt dazu, dass sich viele von ihnen in diesem Land nicht vertreten fühlen.”

Darin liege eine große Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Beheimatung der Muslime in Deutschland. “Die Koalition hat in der Praxis die Pflicht, diese verzerrte Betrachtung von Muslimen zu korrigieren und ihnen zu zeigen, dass sie keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse sind.”

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bemängelte zum Koalitionsvertrag “das vollständige Fehlen einer expliziten Benennung von antimuslimischem Rassismus – obwohl muslimfeindliche Einstellungen und Übergriffe seit Jahren dokumentiert sind”. Der von den Koalitionären angekündigte Nationale Aktionsplan gegen Rassismus bleibe in dieser Hinsicht vage und unvollständig, hieß es in einer Erklärung des ZMD.

Besonders schwer wiege, dass muslimisches Leben im gesamten Koalitionsvertrag weder benannt noch in irgendeiner Weise wertschätzend anerkannt werde. “Zwar wird die Rolle der Kirchen anerkannt, doch islamische Religionsgemeinschaften bleiben völlig unsichtbar”, so die Erklärung. Fragen von Religionsunterricht, Seelsorge oder Wohlfahrtsarbeit blieben unerwähnt.

Der ZMD forderte von einer künftigen Bundesregierung “die öffentliche Sichtbarmachung und strukturelle Förderung muslimischen Lebens – in Bildung, Wohlfahrt, Kultur sowie durch verlässliche Unterstützung muslimischer Gemeinden und zivilgesellschaftlicher Organisationen”.

Die beiden Moscheeverbände gehören zu den größten Islamorganisationen in Deutschland. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) unterhält bundesweit fast 1.000 Moscheegemeinden. Der ethnisch heterogene Zentralrat der Muslime in Deutschland vertritt rund 300 Moscheegemeinden.