Anders als in großen Städten werden queere Menschen auf dem Land nicht so oft wahrgenommen. Doch sie sind in Brandenburg zunehmend Angriffen ausgesetzt. Um das zu ändern, hatte eine Gruppe junger Prignitzer im vorigen Jahr in Wittenberge den ersten CSD organisiert. In diesem Jahr findet er am 17. Juni statt. Mit einem Stand ist auch die Evangelische Kirche vertreten. Im Interview mit Sibylle Sterzik erzählen die Pfarrerinnen Mareike Sabl und Anna Trapp, was genau geplant ist – und schildern eigene Erfahrungen.
Warum organisieren queere Menschen in der Prignitz zum zweiten Mail einen CSD?
Anna Trapp: Auch 2023 beim 2. CSD der Prignitz geht es um die Sichtbarkeit von queeren Menschen im ländlichen Raum. Teilhabe, Mitbestimmung, Lebensglück und persönliche Freiheit sind immer noch keine Selbstverständlichkeit. Darum ist der CSD ein wichtiges Sprachrohr in die Gesellschaft.
Mareike Sabl: Der CSD Prignitz ist auf Initiative des Jugendforums Prignitz entstanden. Der Zusammenschluss aus ehrenamtlich engagierten Jugendlichen veranstaltet den CSD auch.
Was ist genau geplant?
Trapp: Wir werden als Kirche mit den Menschen ins Gespräch gehen und zeigen: Wir stehen an eurer Seite und wir sind selbst Teil. Wir werden über die Möglichkeit von Trauungen informieren und einfach auch mitfeiern.
Sabl: Das Model Micaela Schäfer wird als DJane auf dem Demonstrationstruck dabei sein. Danach folgt ein Bühnen-programm, bei dem unter anderem Julian FM Stöckel auftreten wird. Dazu gibt es Gespräche mit lokalen Politiker*innen und Aktivist*innen.
Sind queere Menschen in ihrer Region Angriffen ausgesetzt?
Trapp: Leider ja. Mir ist zum Beispiel ein Fall bekannt, wo ein Männerpaar in seinem Zuhause überfallen und einer der beiden lebensgefährlich verletzt wurde. Das Paar ist dann aus der Prignitz weggezogen.
Sabl: Ich kann leider auch alltägliche Ausgrenzung beobachten. Dazu kommen oft abwertende Sprache und das Lächerlichmachen queerer Menschen.
Gibt es auch gute Erfahrungen?
Trapp: Natürlich. Als meine Frau und ich im Januar Eltern geworden sind, haben sich viele Menschen mit uns gefreut und waren gleichzeitig erstaunt und ärgerlich darüber, dass unser Sohn abstammungsrechtlich diskriminiert wird, weil meine Frau ihn erst noch adoptieren muss. Ein O-Ton „Aber Sie sind doch verheiratet, es ist doch Ihr gemeinsames Kind!“
Sabl: Ja. Ich höre durch alle Generationen hindurch: „Was kann an aufrichtiger Liebe falsch sein?“ Darin steckt für mich sehr viel Empathie.
Warum unterstützt die Kirche die Demo und das Anliegen?
Trapp: „Liebe tut der Seele gut“ ist ja das Motto der EKBO. Das zeigt, dass wir als Kirche an der Seite der queeren Community stehen, es geht um die Grundrechte aller Menschen, und daher gehört unsere Kirche selbstverständlich auf den CSD. Das Motto des CSD „Wir. Mehr als Queer“ drückt ja aus, dass Menschen nicht nur eindimensional auf Ihre Sexualität festgelegt werden sollen. Unser Menschenbild ist von der Ebenbildlichkeit Gottes geprägt also auch vielseitig!
Was wünschen Sie sich, damit queere Menschen gut leben können?
Trapp: Empathie. Freude an der Vielfalt. Mut gegen Hetze aufzustehen.
Sabl: Es klingt banal: Wir brauchen Gespräch und Miteinander. Eben: Wir. Mehr als Queer. Menschen mit guten und schlechten Tagen.
17. Juni, 12 Uhr, Demo durch Wittenberge, danach Bühnenprogramm, Paul-Lincke-Platz, mit Stand der Kirchengemeinde, 15 Uhr Kundgebung, 21 Uhr Aftershow-Party, Stadtsalon Safari-Garten, Bismarckplatz 6.