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Integration beginnt beim Bauen

Flüchtlinge zu integrieren, haben sich Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft auf die Fahnen geschrieben. In der Praxis stößt das allerdings immer wieder an Grenzen. Einen innovativen Weg geht die vor zehn Jahren gegründete Hoffnungsträger-Stiftung: Sie baut sogenannte Hoffnungshäuser mit jeweils mehreren Wohnungen, die zu gleichen Teilen an Flüchtlingsfamilien und an Einheimische vermietet werden. In diesem Sommer kam als zehnter Standort in Baden-Württemberg Öhringen im Hohenlohekreis dazu.

Dass etwas für die Integration getan werden muss, hat der Geschäftsführer der Hoffnungsträger-Stiftung, Marcus Witzke, 2015 gespürt, als eine große Zahl von Flüchtlingen nach Deutschland kam. Damals erkannten er und seine Verbündeten, dass ein besseres Miteinander durch die Art des Wohnens beflügelt werden kann. Die Idee der Hoffnungshäuser wurde geboren. „Wir wollten weder eine Container-Lösung noch eine Ghettoisierung der Menschen, die zu uns gekommen sind“, erläutert Witzke gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Das innovative Konzept sieht vor, in den sechs bis acht Wohnungen eines Hauses Einheimische und Flüchtlingsfamilien unterzubringen. Jeder hat seine eigene Wohnung, doch es gibt viele Begegnungen. Damit das gemeinsame Leben nicht dem Zufall überlassen bleibt, kümmert sich von Anfang an ein angestelltes Ehepaar um die Organisation. Tatsächlich muss es sich um ein heterosexuelles Paar handeln, weil sich aus kulturellen Gründen mancher männliche Flüchtling nur mit einem Mann und mancher weibliche nur mit einer Frau unterhalten kann.

Die Häuser sind im Besitz der Stiftung. Als Vermieterin achtet sie darauf, möglichst viele Nationalitäten unter einem Dach zu vereinen. Das fördert nicht nur den Toleranzgedanken, sondern zwingt die Menschen auch, schneller Deutsch zu lernen, um im Haus kommunizieren zu können. In den aktuell 32 Häusern mit insgesamt 229 Wohnungen leben derzeit 735 Menschen, darunter 246 Einheimische und 489 Geflüchtete.

Da es sich um staatlich geförderten Wohnungsbau handelt, brauchen Mietanwärter einen Berechtigungsschein. Wer sich um eine Wohnung bewirbt, verpflichtet sich, im Monat zehn Stunden ehrenamtlich für die Gemeinschaft zu arbeiten – das gilt für Deutsche wie für Migranten. Das Engagement wird allerdings nicht kontrolliert, und man tritt beim Einzug auch keinem Verein bei. „Wir vermieten ganz normal nach deutschem Mietrecht“, betont Geschäftsführer Witzke.

Das erste Haus wurde vor sieben Jahren in Leonberg bei Stuttgart eröffnet. Seitdem sind weitere Hoffnungshäuser in Bad Liebenzell, Calw, Esslingen, Konstanz, Nagold, Schwäbisch Gmünd, Sinsheim und Straubenhardt und zuletzt in Öhringen entstanden. Die Häuser selbst zeigen sich in einem exklusiven und prämierten Design. Dazu gehören unter anderem geschwungene Balkons, die es Mietern ermöglichen, zum nächsten Stockwerk zu kommunizieren, ohne sich über das luftig wirkende Holzgeländer beugen zu müssen.

Die Mieten decken den Finanzbedarf eines Hoffnungshauses nicht. Pro Standort kalkuliert die Stiftung mit 150.000 Euro Mehrkosten, die aus den Erträgen der Stiftung oder befreundeter Stiftungen sowie Spenden bezahlt werden. Diese Kosten sind auch der Grund, warum die Stiftung den vielen Nachfragen aus dem Land zum Bau neuer Häuser nicht nachkommen kann – dann dafür braucht es ein tragfähiges Finanzkonzept sowie Partner, die beim Umsetzen helfen. Hinter der Hoffnungsträger-Stiftung steht der Unternehmersohn Tobias Merckle, der 2013 aus seinem Privatvermögen einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ eingebracht hat, wie es in einer Buchveröffentlichung über ihn heißt.

In diesem Jahr bekommen die Hoffnungshäuser nun kleine Geschwister: die Zukunftshäuser. Von der Bauart sind sie gleich, beim sozialen Konzept machen die Verantwortlichen aber Abstriche. Dort wird es keine Standortleiter geben, die Organisation von Gemeinschaftsevents und persönlicher Beratung soll an Teilzeitkräfte gehen.

„Wir werden nicht das erreichen, was mit den Hoffnungshäusern möglich ist – und doch zeigen Modelle in den USA, dass es schon einen Riesenunterschied macht, wenn auch nur ein Mensch in Teilzeit nach den Bewohnern schaut“, sagt Witzke. Ein Pilotprojekt mit zwei Häusern entsteht zurzeit in Mühlacker bei Pforzheim. Finanziert wird das Ganze vom „German Living Impact Fund“, dem die Häuser dann auch gehören. Die Hoffnungsträger-Stiftung betätigt sich lediglich als Dienstleisterin und bringt dort ihren Erfahrungsschatz ein. (2620/02.11.2023)