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Impuls zur Versöhnung

Außenminister Steinmeier würdigt die Rolle der Kirchen für die Annäherung zwischen Deutschland und Polen. Erinnerung an das Erscheinen der Ostdenkschrift vor 50 Jahren

BERLIN – Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat den Beitrag der Kirchen zur Versöhnung zwischen Deutschland und Polen gewürdigt. Die Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) habe 1965 eine Zäsur im Verhältnis beider Länder markiert, sagte Steinmeier in Berlin bei einem Festakt zum Erscheinen des Papiers vor 50 Jahren. Ein weiterer Impuls sei der Hirtenbrief der polnischen katholischen Bischöfe wenige Wochen später gewesen.
Das EKD-Papier war bei seinem Erscheinen stark umstritten, weil es klar die Verbrechen des Nationalsozialismus als Ursache für den Verlust der deutschen Ostgebiete benannte. Die EKD wies nicht nur auf das Leid der deutschen Flüchtlinge hin, sondern plädierte auch für die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze. „Die Ostdenkschrift war ein Wendepunkt zwischen Leid und Zuversicht“, sagte Steinmeier. Sie sei eine Grundlage für die spätere Entspannungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt gewesen.
EKD-Ratschef Heinrich Bedford-Strohm sagte, die Denkschrift von 1965 sei „als Impuls für Versöhnung“ wirksam geworden. Die Verantwortung für Versöhnung zwischen den Völkern stehe weiterhin auf der Tagesordnung.
Die EKD erinnerte an das Erscheinen der Denkschrift mit einem Festakt in Berlin, an dem auch der polnische Botschafter Jerzy Marganski teilnahm. Über Erfahrungen der Kirchen in Polen mit der Aussöhnung sprach der orthodoxe Erzbischof Jeremiasz von Breslau-Stettin. Seit 2002 ist er Vorsitzender des Polnischen Ökumenischen Rates, der seit 1946 sieben Kirchen in dem überwiegend katholischen Polen vereint.
Bis heute gilt die Ostdenkschrift, die eine Preisgabe deutscher Ansprüche auf Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze und eine Verständigung mit Polen empfiehlt, als gelungenstes Beispiel öffentlicher Stellungnahmen der EKD. Zugleich wurde der Text heftig kritisiert. Zu dessen Mitautoren gehörte der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
Die evangelische Ostdenkschrift beklagt das Unrecht gegenüber den deutschen Vertriebenen. Zugleich wirbt das Dokument dafür, das neue Heimatrecht der polnischen Bevölkerung in den ehemals deutschen Gebieten anzuerkennen.
In der evangelischen Kirche gibt es Initiativen für eine „neue Ostdenkschrift“. Auf dem Stuttgarter Kirchentag im Juni fand eine Resolution die nötige Zustimmung, in der vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts eine neue europäische Friedensordnung verlangt wird. „Wir gehen in die Irre, wenn wir meinen, eine Front der Guten gegen die Bösen vor uns zu haben“, heißt es in der Entschließung, die von dem früheren Weltkirchenrats-Generalsekretär Konrad Raiser und früheren DDR-Bürgerrechtlern lanciert wurde. epd