Artikel teilen:

Grüne beschließen Dringlichkeitsantrag zur Migrationspolitik

In einem Dringlichkeitsantrag zur Migrationspolitik fordern die Grünen unter anderem einen besonderen Schutz für die religiöse Minderheit der Jesidinnen und Jesiden in Deutschland. In dem am späten Samstagabend bei der Bundesdelegiertenkonferenz in Karlsruhe beschlossenen Antrag heißt es, der Genozid durch den sogenannten Islamischen Staat führe zu einer besonderen Verantwortung gegenüber den Opfern. Bund und Länder müssten deshalb alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um Abschiebungen von ihnen zu verhindern.

Zugleich solle die Möglichkeit einer Rückkehr von bereits abgeschobenen Jesidinnen und Jesiden geprüft werden. Im Aufenthaltsgesetz müsse zudem eine rechtssichere Bleibeperspektive für sie geschaffen werden. In dem Antrag wird zugleich daran erinnert, dass der Bundestag im Januar die Verfolgung der Jesiden im Jahr 2014 durch den Islamischen Staat als Völkermord anerkannt hatte.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Max Lucks sagte dazu der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Jesidinnen und Jesiden mussten den Völkermord überleben, wurden mehrfach vertrieben und suchten bei uns in Deutschland Schutz”. Es sei “schlichtweg brutal, wie das Bundesinnenministerium Genozidüberlebende abschiebt”. Jesidinnen und Jesiden bräuchten stattdessen Schutz sowie eine Bleibeperspektive, so Lucks, der für die Grünen im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und im Auswärtigen Ausschusses sitzt.

Der von den Grünen verabschiedete Dringlichkeitsantrag trägt den Titel “Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik”. Darin fordern sie eine bessere Unterstützung von Städten und Gemeinden bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen, mehr Anstrengungen bei der Integration durch Integrationskurse und einen schnelleren Zugang zu Arbeit und die Beschleunigung von Asylverfahren.

Zudem dringen sie auf eine rechtsstaatlichen Durchführung von Rückführungen. Diese müssten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen und den Schutz vulnerabler Gruppen sowie von Familien und Kindern sicherstellen. Ferner plädieren sie für die Stärkung der Seenotrettung, das Schließen von Migrationsabkommen und die Beachtung der Menschenrechte auch an den EU-Außengrenzen.

In ihrer Rede hatte zuvor Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für Realitätssinn und Kompromissbereitschaft vor allem im Zusammenhang mit der geplanten Reform der europäischen Asylpolitik geworben. Sie betonte, dass “ohne Ordnung keine Humanität” möglich sei und die Notwendigkeit, aktiv an Verhandlungen für eine mögliche Einigung in der Asylpolitik teilzunehmen. Die Grünen dürften sich dieser Verantwortung nicht entziehen.

Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden mit mehreren hunderttausend Mitgliedern. Sie leben vor allem im nördlichen Irak, viele sind jedoch vor der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) geflüchtet. Rund 150.000 von ihnen leben in Deutschland. Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum.