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Große Sorge über Antisemitismus

Eine Delegation unter der Leitung des nordrhein-westfälischen Landtagspräsidenten André Kuper besuchte Israel. Politiker und jüdische Vertreter warnten vor Aushöhlung der Demokratie

JERUSALEM – Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat in Israel der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gedacht. Im Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kündigte Laschet Partnerschaftsprojekte wie die Einrichtung einer Präsenz in Israel sowie ein neues Stipendium an.
Laschet und NRW-Landtagspräsident André Kuper (CDU) legten in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem einen Kranz für die Opfer des Nationalsozialismus nieder. Anschließend trugen sie sich in das Gedenkbuch ein.
Zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Engagement gegen Antisemitismus in Deutschland gewürdigt. Netanjahu habe unabhängig von der „geschichtlichen Last des Holocaust“ darauf gedrungen, dass Deutschland und Israel in wichtigen Zukunftsfragen enger kooperieren, sagte Laschet.
Besorgt über „das Wachsen von Nationalismus und Populismus in Israel, in Deutschland und überall auf der Welt“ äußerte sich der Präsident der Weltunion für Progressives Judentum (WUPJ), Daniel Freelander. Deshalb sei die Stimme des liberalen Judentums wichtig, das sich für Offenheit, Demokratie und Pluralismus einsetze, sagte er im Gespräch mit NRW-Landtagspräsident André Kuper. Zu Kupers Delegation gehörten unter anderen der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, und die Generalsekretärin der Union Progressiver Juden, Irith Michelsohn.Anlass der Besuche ist der 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels in diesem Jahr.
Zum Abschluss des Besuchs rief Kuper dazu auf, mehr denn je für den Erhalt der Demokratie zu kämpfen. Der wachsende Antisemitismus sei ein Angriff auf die Demokratie und alle Freiheitsrechte, sagte Kuper in der Knesset, dem israelischen Parlament, in Jerusalem. Kuper sprach dort mit dem Vorsitzenden der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe Israel-Deutschland, Nachman Shai von der oppositionellen Arbeitspartei Awoda.
Shai warnte davor, die Augen vor Antisemitismus zu verschließen. Die Demokratie müsse gegen Feinde von innen und außen verteidigt werden, sagte er. Der 71-jährige Abgeordnete zeigte sich besorgt über einen „wachsenden Rechtstrend“, der in Europa, aber auch weltweit zu beobachten sei. Auch die israelische Politik sei in den letzten Jahrzehnten nach rechts gerückt, beklagte Shai und kritisierte insbesondere die Politik von Regierungschef Benjamin Netanjahu gegenüber den Palästinensern.
„Wir müssen aufhören, über das Leben von Millionen Palästinensern zu bestimmen“, sagte er. Es dürfe für Israel nicht darum gehen, die Araber zu beherrschen. Die derzeitige Politik zerstöre demokratische Werte und rücke eine Friedenslösung in immer weitere Ferne, statt ihr näherzukommen. Eine Zwei-Staaten-Lösung sei für Israel die einzige Möglichkeit, zu einer Lösung des Konflikts mit den Palästinensern zu kommen. Wenn dies nicht gelinge, drohe „eine Katastrophe“. Allerdings sehe er derzeit auch er nicht, wer auf palästinensischer Seite eine solche Friedensregelung aushandeln könne, räumte Shai ein (siehe auch Reportage auf Seite 9).epd