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Gesellschaftliche Kraft entfalten

Die EKBO-Synodale und Akademiedirektorin Friederike Krippner ist Mitglied der EKD-Synode. Diese tagt ab Sonntag in Bremen Sibylle Sterzik fragte sie, was sie von der Tagung und dem neuen Ratsvorsitz erwartet.

Frau Krippner, die Kirche befindet sich im Umbruch, stellt sich für die Zukunft auf. Wo sehen Sie ­derzeit die größten Herausforderungen, die die EKD in Angriff ­nehmen muss?

Kirche existiert nie für sich. Das gilt auch für die EKD als Zusammenschluss aller evangelischen Landeskirchen: Kirche sein heißt, Kirche für Menschen zu sein. Wir haben eine Botschaft und wir haben Aufgaben in der Gesellschaft, in der Welt. Dies nicht zu vergessen über allen Sparplänen, Verwaltungsrestrukturierungen und sinkenden Mitgliedszahlen, scheint mir manchmal die größte Herausforderung. 

Der am meisten mit Spannung verfolgte Tagesordnungspunkt wird wohl die Wahl der oder des Ratsvorsitzenden sein. Welche Eigenschaften sollte Ihrer Meinung nach die Person mitbringen, um die ­anstehenden Zukunftsprozesse gut voranzubringen? 

Eines ist klar: Das Amt der oder des Ratsvorsitzenden ist kein leichtes. Was ich mir wünsche: eine Person, die begeistert und sich begeistern lässt; einen Menschen mit einer Vision für unsere Kirche und für die EKD; jemanden mit einem klaren theologischen und gesellschafts­politischen Profil; eine gleichzeitig intellektuelle wie den Menschen zugewandte Person; eine diplomatische Person mit integrativer Kraft, die zugleich Konflikte aushält. Ich gebe mich aber auch mit ein bisschen weniger zufrieden. Bloß eines darf in dem Amt wirklich nicht ­fehlen: eine gehörige Portion Optimismus!

Und ist es Zeit für eine Frau?

Während wir dieses Interview führen, nehme ich an einer internationalen Konferenz teil und stelle wieder einmal als eine der wenigen Frauen im Raum fest, dass die ­globale Christenheit und auch der Protestantismus in ihrem Führungspersonal ausgesprochen männlich dominiert ist. Das Traurige ist, dass ich mich für diese Feststellung nicht in internationale Gefilde begeben muss, sondern dass ein Blick in die Runde deutscher evangelischer ­Akademiedirektoren oder in die der Superintendenten in der EKBO reicht. Insofern ist meine Antwort ein ­klares und lautes: Ja!

Erwarten Sie einen neuen ­Tagungsstil durch die Sitzungs­leitung der 25-jährigen ­Präses Anna-Nicole Heinrich?

Natürlich erwarte ich einen neuen Tagungsstil, aber nicht, weil Anna-Nicole Heinrich 25 ist, sondern weil sie eine andere Person als Irmgard Schwaetzer ist und daher anders leiten wird. Ich bin gespannt und freue mich darauf! 

Neue Finanzstrategie, Haushalt, Einsparungen von 17 Millionen, wie weiter mit dem Betroffenenrat beim Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche, der Bericht des ­­Friedensbeauftragten – wichtige Themen stehen auf der Tages­ordnung. Welche Fragen, die sich daraus ergeben, nehmen Sie mit im ­Gepäck? 

Sie haben die zwei Themen, die mich am meisten beschäftigen, schon benannt. Wie gehen wir weiter um mit dem Thema sexualisierter Gewalt in der Kirche? Welche konkreten Pläne gibt es? Wir müssen uns diesem Thema mit aller Macht stellen – und das noch deutlicher, als bisher ­geschehen. Wir müssen verbindliche Standards im Umgang mit Betroffenen entwickeln; diese müssen überprüft werden können. Wir müssen an der Prävention arbeiten. Und all dies wird nicht ohne die konsequente Einbeziehung von Betroffenen gehen.

Und dann die Frage, wie es mit dem Thema Frieden in unserer ­Kirche weitergeht. Niemand wird bestreiten, dass Frieden eine der zentralen christlichen Botschaften ist. Aber was heißt das konkret in unserer Welt? Wie ist Friedensarbeit zu denken angesichts der Geschehnisse in Afghanistan, angesichts von Flüchtlingsbewegungen mit ihren vielschichtigen Gründen, angesichts des Zusammenhangs von Konflikten und Klimawandel – um nur wenige Aspekte zu nennen. Wo verorten wir uns als Kirche, in welchen Kontexten sind wir sprachfähig, wie können wir unseren Teil für eine friedlichere Welt leisten? Diese Fragen stellen sich für mich auch vor dem Hintergrund, dass die Friedensarbeit in der Kirche junge Menschen nach meinem Eindruck derzeit eher nicht hinter dem Ofen hervorlockt. Große Fragen also, denen sich die Synode hoffentlich stellt.

Und dann bin ich Co-Leiterin des Zukunftssauschusses der Synode, in dem wir uns unter anderem mit einem, wie ich finde, sehr spannenden Thema beschäftigen: Papiere schreiben ist das eine. Handlungen daraus folgen zu lassen, ist aber etwas anderes. Wie können wir eine „Kultur der Umsetzung“ in unserer Kirche etablieren? 

Bringen Sie ein Thema aus der EKBO oder der Arbeit der Akademie mit, das Sie einbringen möchten?

Als Akademiedirektorin bin ich schon qua Amt neugierig auf alle ­zivilgesellschaftlichen Themen. ­Außerdem versuche ich als jemand, der zumindest beruflich erst ganz kurz in unserer Kirche tätig ist, stets meinen ungebremsten Optimismus einzubringen: Ich sehe uns als Kirche in einer sich stetig wandelnden, auch immer säkularer werdenden Gesellschaft, die gerade daraus aber große gesellschaftliche Wirkkraft entfalten kann. Packen wir’s also an!