Es ist erst der Anfang: Im Rahmen eines Pilotprojekts in der Lübecker Bucht sind im vergangenen Jahr 30 Tonnen verrostete Munition aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Ostsee geborgen worden. „Eine positive Bilanz“, freut sich Jann Wendt, Geoinformatiker und Chef des Kieler IT-Unternehmens North.io. Um Fortschritte, Innovationen und Herausforderungen im Umgang mit Munitionsaltlasten im Meer geht es bei der internationalen Munitionsräumwoche (Munition Clearance Week), die noch bis Freitag in Kiel stattfindet. „Die Bergung von Munition im Meer ist eine enorme, globale Aufgabe, die ein Land alleine nicht lösen kann. Wir müssen gemeinsam Lösungen entwickeln“, sagt Initiator Wendt (38) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Deutschland gelte bei der Bergung von Munition im Meer weltweit als Vorreiter.
Schleswig-Holsteins Umweltschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sagte zur Eröffnung: „Wir haben zehn Jahre lang dafür gekämpft, dass das Thema Munitionsaltlasten endlich ernst genommen wird.“ Über 200 Expertinnen und Experten aus 16 Länder sind angereist.
Die Herausforderungen sind groß: „Munitionsaltlasten sind tickende Zeitbomben. Sie rosten weiter und belasten zunehmend die Umwelt“, sagt Wendt. Sie setzen gefährliche Stoffe wie Sprengstoffe, Quecksilber und Schwermetalle frei, die zunehmend die Meeresumwelt gefährden. Allein im Bereich der deutschen Ostsee werden rund 300.000 Tonnen Fliegerbomben, Granaten und Seeminen vermutet, so Analysen des Expertenkreises Munition im Meer. Wendt: „Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, aber die Größenordnung für die gesamte Ostsee ist enorm.“
Munition in Ostsee: Tauchroboter helfen
Das Pilotprojekt sei ein Meilenstein für ganz Deutschland. Die Bergung in der Lübecker Bucht wurde von der Hamburger Seascape koordiniert. Beteiligt waren unter anderem Geomar, Seaterra, Eggers Kampfmittelbergung, Hansataucher und North.io. Spezialschiffe, Tauchroboter, Greifbagger und Arbeitsplattformen waren 30 Tage im Einsatz. Dabei ging es auch darum, Daten zu sammeln und Abläufe zu entwickeln. „Die Bergung solcher Massen ist für alle neu“, sagt der Geoinformatiker. Das Projekt habe gezeigt, dass der Gesamtablauf von der digitalen Ortung über die Bergung bis zur Entsorgung funktioniere. Dies sei ein „echter Systemwechsel – weg vom Experiment, hin zur Umsetzung“.

Eingesetzt wurden unter anderem videoüberwachte Greifarme, die unter Wasser Munitionskisten bargen. Mithilfe von Sonargeräten sei jede Bombe genau untersucht worden. „Eine besondere Rolle spielen autonome und robotische Systeme in Kombination mit KI-gestützter Datenauswertung“, erklärt Wendt. In der nächsten Phase soll eine schwimmende Industrieanlage entwickelt und aufgebaut werden, um die geborgene Munition sicher und umweltgerecht zu entsorgen.
„Wir haben die Technologie, jetzt braucht es Tempo und Verbindlichkeit“, betont Wendt. Gefragt seien klare Prozesse, mehr Ressourcen und eine sichere Finanzierung. Zu lange sei das Thema von der Politik verdrängt worden. Mittlerweile ist die Beseitigung der Altmunition in Schleswig-Holstein Teil des Aktionsplans Ostseeschutz 2030, der Bund hat 100 Millionen Euro in das Sofortprogramm Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee investiert. Wendt: „Das reicht bei Weitem nicht. Und uns läuft die Zeit davon.“ Selbst im besten Fall werde es Jahrzehnte dauern, um die großen Mengen Altmunition zu bergen. Viele Jahre, in denen die Bomben weiter rosten.
Bomben in der Ostsee: Wettlauf gegen Korrosion
Minister Goldschmidt: „Wir befinden uns in einem Wettlauf mit der Korrosion.“ Je länger die Bergung der Kriegsmunition dauert, umso größer seien die möglichen Schäden. „Die enthaltenen Sprengstoffe können für Mensch und Umwelt zu einer echten Gefahr werden“, sagte der Minister.