Unter Vor-Corona-Bedingungen hätte Kristóf Bálint inzwischen viele Kilometer mit Bahn und Auto in Brandenburg zurückgelegt. Aber pandemiebedingt konnte der neue Generalsuperintendent im Sprengel Potsdam viele Haupt- und Ehrenamtliche erstmal nur digital kennenlernen. Dabei ist der direkte Austausch mit den Kirchengemeinden vor Ort für Kristóf Bálint wesentlich. Warum die Kirchenbasis für ihn so wichtig ist und wie er sein Amt versteht, darüber sprach Klaus Büstrin mit Kristóf Bálint. Am Sonntag wird er als neuer Generalsuperintendent von Potsdam eingeführt
Herr Bálint, bevorzugen Sie den Titel Generalsuperintendent oder Regionalbischof?
Mit beiden Bezeichnungen lässt sich gut leben. Doch der Titel Generalsuperintendent hat in der EKBO Tradition. In der Grundordnung (GO Artikel 87 und 89) wird er gut beschrieben: Der Generalsuperintendent ist kirchenleitend und verkündigend tätig, die Kirchengemeinden im jeweiligen Sprengel begleitend, die Ökumene befördernd, und die Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der Kirche stärkend. Konkret bedeutet diese „kirchenjuristische Prosa“, dass ich möglichst nah bei den ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierten bin, für sie ein offenes Ohr habe und gleichzeitig Verständnis wecke für kirchenleitende Entscheidungen, die niemals alle gleichermaßen zufriedenstellen können.
Sie sind jetzt fünf Monate im Amt. Eine kurze Zeit. Dennoch werden Sie schon einige Erfahrungen in Ihrem Sprengel gemacht haben.
Es war wohl aber kaum möglich, in den schwierigen Pandemie-Zeiten die Kirchenkreise, Pfarrer undGemeinden im Sprengel Potsdam, der sich von der Prignitz, der Uckermark, über den Barnim, Brandenburg-Mittelmark bis zum Fläming erstreckt, persönlich zu besuchen.
Konnten Sie schon einen Eindruck vor Ort gewinnen?
Neben den analogen Kreissynoden-Gottesdiensten, Besuchen von Einrichtungen oder Einzelpersonen konnte ich meist nur digital „unterwegs“ sein, so bei Konventen oder Kreissynoden. Ich habe den Eindruck, dass ich meine Gesprächspartnerinnen und -partner relativ gut kennengelernt habe. Vielleicht besser als es im „Normalbetrieb“ möglich wäre. Das erachte ich als ein Geschenk. Nun stehen Fahrten zu den Kirchenkreisen an. Die günstigen Inzidenzen erlauben es. Ich möchte mit den Kreiskirchenräten in Kontakt kommen, abseits von Tagesordnungen. Zudem freue ich mich, dass ich auch verschiedene Projekte und Kirchengemeinden kennenlernen darf.
Die Präsenz vor Ort ist also von großer Wichtigkeit in Ihrem Amt?
Ja sehr, denn ich möchte in den unterschiedlichen Aufgabenfeldern nicht die Bodenhaftung und den Kontakt zur Basis verlieren. Von den Erfahrungen der Gemeinden profitieren wir alle. Ihre Einsichten können unsere eigenen ergänzen. Wir sind aufeinander angewiesen, im Austausch und im Diskurs.
Während der Gespräche mit den Superintendenten und den Kreiskirchenräten wurden sicherlich bereits Probleme benannt. Welche sind Ihnen begegnet?
Ja sicher. Beispielsweise die nie einfachen Strukturdebatten. Ich merke aber, dass die Kirchenkreise mein Bemühen annehmen, diese Prozesse transparent und mit ihnen gemeinsam zu gestalten. Dazu wird in den nächsten Monaten Zeit und Gelegenheit sein. Ich kenne die Ebene als ehemaliger Superintendent sehr gut und auch die Situation, für den eigenen Kirchenkreis und die eigene Kirchengemeinde zu kämpfen. Gemeinsam mit allen Beteiligten engagiert nach der besten Lösung zu suchen, ist mir Ansporn.
Auch in der EKBO gibt es, wie in anderen Landeskirchen, zu wenige Pfarrerinnen und Pfarrer für den Verkündigungsdienst. Welche Möglichkeiten sehen Sie?
In den kommenden Jahren gehen in manchen Kirchenkreisen zahlenstarke Jahrgänge in den Ruhestand. Da wird manche Lücke entstehen, die es zu füllen gilt. Dabei werden wir junge Pfarrer*innen vor allem mit guten, lebbaren Konzepten in unsere EKBO locken können. Es wird neben ihren Fragen nach Wohnung, Familienfreundlichkeit, gutem Miteinander in den Konventen und Kirchengemeinden auch um Fragen gehen wie: Habe ich eine gute Arbeitsstruktur in den Gemeinden? Werde ich, wenn ich größere Gemeindezusammenhänge vorfinde, eine Verwaltungskraft vorfinden, damit ich zu Hausbesuchen, ins Krankenhaus, zu Aussegnungen gehen kann? Wie können sich haupt- und ehrenamtlich Engagierte in diesen Strukturen ergänzen? Das Gemeindestrukturgesetz versucht, diese Fragen konstruktiv vorzudenken und bietet gute Lösungsansätze. Zudem wird es in den nächsten Jahren auch um Fragen der äußeren Gestalt von Kirchenkreisen gehen. Dazu werden im Sprengel Potsdam gerade Fragen aufgeworfen, die ohne Vorgabe verschieden beantwortet werden können. Am Ende des Prozesses aber möglichst breite Zustimmung finden sollen. Überdies ist mir die Stärkung der ehrenamtlich Engagierten wichtig. Was brauchen sie konkret und welche Angebote beziehungsweise welches Umfeld können wir ihnen bieten oder schaffen?
Haben Sie in Ihrer neuen Lebenssituation schon einen Ort, eine Landschaft gefunden, die Ihnen besonders gefällt?
Es gibt hier viel Reizvolles: kirchlich, kulturell, architektonisch und die Mentalität der Bewohner. Uns gefallen die vielen Seen, die wunderschönen Radstrecken, wenngleich uns die Berge etwas fehlen. Aber da fahren wir einfach in den Barnim, der hat Anmutungen von Mittelgebirge. Meine Frau und ich sind jedenfalls sehr gern hier.
Der Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche in Potsdam wird deutschlandweit ambivalent diskutiert. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Die zuweilen militant wirkende Argumentation gegen die Garnisonkirche verstehe ich nicht. Ich hoffe, vermittelnd wirken zu können. Die Diskussion ist notwendig, schließlich ist der Ort historisch sehr aufgeladen, aber sie sollte von einem gemeinsamen Ziel getragen sein. Dass der Turm wieder aufgebaut wird, steht fest. Täglich gewinnt er an Höhe. Nun sollten alle miteinander, und damit meine ich durchaus auch die kritischen Stimmen, an einem guten, schlüssigen, aus Fehlern der Vergangenheit lernenden Konzept arbeiten.
Derzeit findet ein großes Aufatmen von den physischen und psychischen Belastungen der langen Pandemie-Zeit statt. Man darf wieder unterwegs sein, sich mit Familienmitgliedern und Freunden treffen, Konzerte und Theater besuchen. Aber müssen wir nicht dennoch auf der Hut sein, nicht sorglos die Schutzmaßnahmen in den Wind zu schlagen?
Die meisten Menschen bewegt die Frage: Wie geht es weiter mit dieser brüchigen Erfahrung von Unsicherheit, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben. Große Teile der Gesellschaft, mitunter auch wir Christen, neigen zu der Ansicht, dass wir das Leben im Großen und Ganzen im Griff haben. Dass es sehr verletzlich ist, hat uns die Pandemie klar gemacht. Mir ist wichtig, dass wir uns immer wieder neu fragen, welche Botschaft, welchen Halt uns die Heilige Schrift und unser Glaube zu geben vermögen. Da sind noch viele Ressourcen unerschlossen, unentdeckt, ungehoben. Ich nehme weithin wahr, dass wir in eine „selbstverschuldete Sprachunfähigkeit“ geraten sind.
Das war in DDR-Zeiten anders. Wir dürfen aus dieser Schlussfolgerung die richtigen Schlüsse ziehen und uns wieder verstärkter um das verbum DEI sammeln, in allen Arbeitsfeldern und Formen von Gemeindearbeit wieder stärker mit dem Wort G‘TTes beschäftigen. Mich hat das in meiner Jugend getragen und geprägt. Manche Erfahrung hätte ich in meiner Biografie nicht durchgestanden, wenn ich mir nicht einen inwendigen Schatz an Bibeltexten angelegt hätte, die sich mir in Christenlehre und Junger Gemeinde mit Hilfe des Pfarrers und anderer Gemeindeglieder erschlossen.
Zur Person:
Kristóf Bálint (56) ist seit Januar Generalsuperintendent im Sprengel Potsdam. Zuvor war er acht Jahre Superintendent im Kirchenkreis Bad Frankenhausen-Sondershausen in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Kristóf Bálint ist in Budapest geboren, verheiratet und hat drei Kinder und fünf Enkel. Er studierte Theologie in Jena. Nach dem Vikariat in Ichtershausen und der Ordination 2001 in Arnstadt war er Pfarrer in Finsterbergen und Stotternheim. Vor seinem Studium war Bálint viele Jahre in der evangelischen Jugend- und Bildungsarbeit tätig, auch als Studienleiter am Pädagogisch-Theologischen Zentrum in Reinhardsbrunn in Thüringen.
In einem Gottesdienst am Sonntag, 20. Juni, um 15 Uhr in der St. Nikolaikirche in Potsdam wird Kristóf Bálint als Generalsuperintendent des Sprengels Potsdam von Bischof Christian Stäblein eingeführt. Pandemiebedingt findet der Gottesdienst nicht öffentlich statt. Er wird live im Internet bei Youtube und auf der Homepage der EKBO übertragen unter:https://youtu.be/HQ3PJaJVbpw
www.youtube.com/gemeinsam-ekbo
www.ekbo.de/livestream