Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält angesichts der Gewalt gegen Politiker und ehrenamtlich Engagierte eine konsequentere Strafverfolgung für wichtiger als Änderungen im Strafrecht. „Es braucht schnellere Verfahren und härtere, spürbarere Konsequenzen für die Täter“, forderte sie. Zu viele Verfahren würden schnell eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen.
Faeser lobte in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“, dass polizeiliche Schutzkonzepte hochgefahren, Streifen verstärkt und feste Ansprechstellen für bedrohte Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche eingerichtet wurden. In einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) wiesen die Innenministerien der Bundesländer indes auf die Grenzen polizeilicher Maßnahmen hin. Auch Faser schrieb: „Es ist klar, dass die Polizei nicht an jedem Ort gleichzeitig sein kann.“
Die Bundesinnenministerin nannte es verheerend, wenn Menschen, die bedroht werden, den Eindruck haben, dass eine Strafanzeige nichts bringt und nicht verfolgt wird. „Ich bin der festen Überzeugung, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in diesen Fällen immer besteht, denn es geht um den Schutz der Demokratie. Entsprechend sollte man die Richtlinien für das Strafverfahren anpassen“, empfahl Faeser.
Auch sei es sinnvoll, Bedrohungen bis an die private Haustür von Kommunalpolitikern zu verhindern. „Hier sind gezielte Strafverschärfungen sinnvoll“, schrieb die Bundesinnenministerin.
Anfang Mai war der sächsische SPD-Europapolitiker Matthias Ecke in Dresden krankenhausreif zusammengeschlagen worden. Die aus Hessen stammende Bundesinnenministerin erinnerte an den diesen Vorfall, aber auch an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) vor knapp fünf Jahren: „Es war eine Hinrichtung aus Hass“, schrieb die SPD-Politikerin in der „Welt am Sonntag“ und bezeichnete den Lübcke-Mord als „tiefen Einschnitt“. Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha von einem Rechtsextremisten erschossen worden.
Nach den jüngsten Gewalttaten gegen Politiker und Wahlkampfhelfer wird in den meisten Bundesländern der polizeiliche Schutz nicht pauschal erhöht. Wie die epd-Umfrage unter den Innenministerien der Länder ergab, setzen diese zumeist auf Prävention, konkrete Lagebeurteilungen und stärkere Sicherheitsvorkehrungen, wenn es geboten erscheint. Der Schutz könne nicht allein durch die Polizeien und Sicherheitsbehörden gewährleistet werden, hieß es etwa aus Brandenburg. Wahlkampfhelfern gezielt polizeilichen Schutz zu gewähren, sei personell nicht darstellbar, erklärte das Bremer Innenressort.
Es bedürfe einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, erklärte das brandenburgische Innenministerium in Potsdam, das zugleich von „Symptomen einer zunehmenden Verrohung in der Gesellschaft“ sprach. Der Städte- und Gemeindebund rief unterdessen Prominente aus Sport und Kultur dazu auf, öffentlich für die Demokratie einzustehen. „Es ist höchste Zeit, eine Kultur des Respekts wieder zu etablieren und für die Demokratie Gesicht zu zeigen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, André Berghegger, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).
Zu den jüngsten Angriffen auf Politikerinnen und Politiker sowie Wahlkämpfer sagte er, ein umfassender Personenschutz wie zum Teil bei hochrangigen Bundespolitikern sei für die kommunale Ebene weder realistisch noch erstrebenswert. „Kommunalpolitik als bürgernächste Ebene lebt von dem direkten Kontakt und Austausch zwischen Engagierten und Bürgerinnen und Bürgern“, argumentierte Berghegger.