Die AfD nutzte geschickt Medien für ihre Ziele und verweigere sich ihnen gleichzeitig, beklagt Experte Olaf Sundermeyer. Das funktioniere auch deshalb, weil viele immer noch zu leicht über jedes hingehaltene Stöckchen sprängen.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen wollte die AfD Journalisten bestimmter Medien nicht bei ihrer Wahlparty in Erfurt dabei haben. Als diese sich ihr Recht auf Zugang vor Gericht erstritten, lud die Partei kurzerhand alle Medienvertreter von der Party aus. Ein Gespräch mit dem Extremismusexperten Olaf Sundermeyer aus der Recherche-Redaktion von RBB 24 über den Umgang der AfD mit Medien – und den der Medien mit der AfD.
Olaf Sundermeyer: Das kommt immer mal wieder vor. Ich kenne das seit Jahren. Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Landesverbände beim Umgang mit Medien und Journalistinnen und Journalisten. Die AfD als Partei verfolgt da keine bundeseinheitliche Linie, das entscheiden die Landesverbände. Ich habe zum Beispiel eine Einladung zur Berichterstattung von der Wahlparty der AfD nach den Landtagswahlen am 22. September in Potsdam bekommen, wo ich auch hingehen werde.
Sundermeyer: Der Landesverband in Thüringen ist schon sehr speziell. Björn Höcke macht nur Medienarbeit, die ihm nutzt. Das haben wir auch am Wahlabend und im Vorfeld der Wahl gesehen: Höcke nimmt natürlich gerne Einladungen vom MDR in dessen Wahlsendungen an, um sich dort zu präsentieren. Aber Veranstaltungen wie eine Wahlparty sind Orte, wo ich als recherchierender Journalist mit sehr vielen anderen Menschen ins Gespräch kommen kann. Unterhalb der Ebene der Spitzenkandidaten, Wahlhelfer oder Leute aus dem Umfeld. Doch genau solche Recherchen will Höcke verhindern. Sein Ziel ist ja, Berichterstattung in seinem Sinne zu kanalisieren. Er lässt auch vielfach keine Fragen zu und reagiert – von den wirklich großen Formaten wie Wahlrunden oder Sommerinterviews abgesehen – kaum auf Interviewanfragen.
Sundermeyer: Da gibt es jetzt zumindest kein solches Problem, obwohl der Landesverband politisch auf Höcke-Linie ist. Das Medienkonzept von Teilen der AFD zielt allerdings darauf hinaus, dass man irgendwann nur noch mit eigenen Medien arbeitet und eine Berichterstattung zum Beispiel in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr braucht. Oder dass man sich auch nicht mehr mit dem “Spiegel” oder der “Bild-Zeitung” auseinandersetzen muss…
Sundermeyer: … sondern nur noch über eigene Kanäle kommuniziert. Ob das jetzt das “Compact”-Magazin ist oder das Netzwerk rechter Streamer, zu dem auch Björn Winter gehört, der sich im Netz Björn Banane nennt. Diesen ehemaligen Schlagersänger bindet die AfD regelmäßig proaktiv in ihre Medienarbeit ein, wenn es darum geht, scheinbar exklusiv mit dabei zu sein. Er kann sich zum Beispiel auf Parteitagen frei bewegen; wir Journalisten müssen dagegen in einem abgesperrten Medienbereich bleiben.
Sundermeyer: Absolut. Aber das für mich Entscheidende sind ja nicht nur die großen Ereignisse, also die Regelberichterstattung von Parteitagen oder von solchen Wahlpartys. Es geht doch um die Frage, welche Möglichkeit ich darüber hinaus habe, mit diesen Politikern überhaupt noch ins Gespräch zu kommen oder sie in ihrem Alltag zu begleiten. Ich drehe gerade eine Reportage mit einem AfD-Politiker aus Brandenburg, der das zulässt. Das würde Björn Höcke wahrscheinlich nicht machen. Und genau das sind Dinge, die ich nicht einklagen kann. Bei einem Parteitag sieht das anders aus.
Sundermeyer: Stimmt, hier kanalisiert die AfD inzwischen schon rein räumlich die Zugangsmöglichkeiten und damit die Berichterstattung. Das habe ich zum ersten Mal vor fünf Jahren bei einem Listenparteitag der AfD zur Europawahl erlebt: Da gibt es dann einen Bereich für die Presse, der komplett vom Rest der Veranstaltung getrennt ist. Da gab es überhaupt nicht die Möglichkeit, sich wie bisher unter die Delegierten zu mischen und auch mit einfachen Parteimitgliedern zu sprechen. Es waren nur zuvor verabredete Interviews mit einigen Spitzenleuten der AfD möglich. Das machen inzwischen die meisten AfD Landesverbände so. Das ist ganz klar eine Verhinderung von aktiver Pressearbeit, vor allen Dingen von Recherche. Das macht der DFB allerdings auch nicht anders.
Sundermeyer: Sie können natürlich sagen, wenn ihr uns ausladet, dann findet ihr bei uns auch nicht statt. So eine Entscheidung kann jede Redaktion für sich treffen.
Sundermeyer: Gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das schwierig, weil wir ja zur Ausgewogenheit und Gleichbehandlung verpflichtet sind. Aber ich bin schon der Meinung, dass eine Redaktion auch konsequent auf solche Einschränkungen reagieren sollte. Einmal, indem sie ihre Teilnahme einklagt oder das zumindest versucht. Zweitens behauptet die AfD ja gerne, dass sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht stattfindet, obwohl dem überhaupt nicht so ist. Hier sollten die Redaktionen ruhig mal souveräner rangehen und sagen: Wenn ihr uns nicht aktiv dabeihaben wollt, dann entscheiden wir einfach mal, euch auch nicht in dieser Form stattfinden zu lassen. Das lässt sich dann auch begründet erklären.
Sundermeyer: Stimmt – vielleicht auch einfach, weil das Thema AfD als “Berichterstattungsware” zu sehr nachgefragt ist, und die Redaktionen daher nicht darauf verzichten wollen. Aber hier kann ich nur mutmaßen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten zudem Gleichbehandlungsgrundsätze, die ich auch richtig finde. Wirklich schwierig wird es dann, wenn sie gar nicht mehr mit uns reden wollen, wenn im Prinzip eine Begegnung nicht mehr möglich ist. Hier gehört Höcke, der das konsequent durchzieht, aktuell noch zu den Ausnahmen.
Sundermeyer: Das sehe ich nicht so. Es macht halt Arbeit. Aber diese Auseinandersetzung ist mir immer zu sehr auf den Nachrichtenjournalismus bezogen, mit dieser Standardberichterstattung von Wahlen oder Parteitagen und so weiter. Aber es ist doch viel wichtiger, das Wesen der AfD, ihre Ziele, ihre Strategien, ihr Personal umfassend zu beobachten und darzustellen – gerade weil es sich hier um eine im Kern rechtsextremistische Partei handelt.
Sundermeyer: Meine große Sorge ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen hier Beißhemmungen entwickeln. Nicht die üblichen Verdächtigen, die schon lange die AfD und andere rechte Kreise begleiten. Aber ich habe erst gestern mit einem Kollegen im Kreistag hier in Brandenburg zu tun gehabt, der zu mir gesagt hat: Ich habe gar keine Lust, mit denen zu sprechen, denn die haben auch keine Lust auf mich. Aber wir müssen hier doch einen Umgang finden, die sind flächendeckend im Osten in den Kommunalparlamenten die stärkste Kraft. Und da ist es nicht eine Frage des “ob”, sondern des “wie” – und das muss von den Redaktionen, von den Journalisten ausgehen. Das dürfen wir uns nicht von der AfD diktieren lassen. Aber die Feindlichkeit, die die AfD Medienvertretern gegenüber an den Tag legt, strahlt leider vor allen Dingen ins lokale und regionale Geschehen aus. Deshalb findet vieles von dem, was die AfD im Lokalen so treibt, auch kaum Widerhall in der Öffentlichkeit.
Sundermeyer: Exakt. Denn da kann dann wieder die AfD die Sache steuern. Ich bin gerade in Frankfurt/Oder. Hier hat heute die “Märkischen Oderzeitung,” eine große Geschichte gemacht, weil sich ein AfD-Abgeordneter aus Frankfurt darüber beschwert, dass die Stadt die Band “Culcha Candela” zum Stadtfest eingeladen hatte und diese dort die AfD als “braune Rattenfänger” bezeichnete. Und die “Märkische Oderzeitung” steigt groß auf diesen kalkulierten Skandal ein. So etwas passiert momentan sehr viel.
Sundermeyer: Die AfD hat Medienarbeit als solches verinnerlicht und sich hier stark professionalisiert – vor allen Dingen in Sachen soziale Medien. Sie versteht auch die Gesetzmäßigkeiten, wie der Medienmarkt funktioniert, was triggert. Und leider springen da immer noch viele Medien drauf an. Das ist nach meinem Gefühl das viel größere Problem als die Auseinandersetzung über eine Wahlparty.