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„Es kann ein Vorteil sein, eine Frau zu sein“

Seit August ist Khouloud Daibes Botschafterin des Staates Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war von 2007 bis 2012 Ministerin für Tourismus und Altertümer, von 2007 bis 2009 zusätzlich auch Ministerin für Frauen in Palästina. Zuvor war sie Leiterin der Palästinensischen Denkmalschutzbehörde. Daibes, geboren 1966 in Bethlehem, aufgewachsen in Jerusalem, besuchte die Schule Talitha Kumi, die vom Berliner Missionswerk getragen wird. Später studierte sie Architektur in Hannover. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder, die ebenfalls Schüler von Talitha Kumi waren oder sind.

Die Fragen stellten Jens Nieper und Susanne VoellmannFrau Daibes, Sie sind die erste Botschafterin, die Palästina in Deutschland vertritt. Die Vorgänger in Ihrem Amt waren alle Männer. Macht es einen Unterschied, dass der Staat Palästina nun von einer Frau vertreten wird?Dass in Deutschland zum ersten Mal eine Frau eine so hohe politische Position einnimmt, zeigt, dass die palästinensische Gesellschaft vielfältig ist. Eine Gesellschaft, die bereit und willens ist, Frauen auf allen Ebenen zu akzeptieren und hohe Posten einnehmen zu lassen. Ich selbst war ja für einige Jahre Ministerin, zwei Jahre sogar für zwei Ministerien. Das sind alles Beweise dafür, dass Frauen bei uns überall ihre Rolle einnehmen können. Aber gerade hier in Deutschland und in Europa ist es eine Möglichkeit, das Image von Palästina zu ändern. Hier herrschen viele vorgeprägte Bilder von Palästina oder Palästinensern. Allein die Tatsache, dass ich Botschafterin bin, wird hier einiges ändern. Ich kann mir auch vorstellen, dass es gerade im diplomatischen Bereich ein Vorteil sein kann, eine Frau zu sein.Welche Reaktionen haben Sie bisher erlebt?Eine Frau auf diesem Posten ist nicht „business as usual“. Ich bin die einzige Frau unter den arabischen Vertretern hier in Deutschland, insofern bin ich eine Ausnahme. Die Reaktionen waren bisher nur positiv. Meine offizielle Anrede ist „Frau Botschafterin“, darauf lege ich Wert, und auch in der arabischen Sprache (wo weibliche Endungen bei Ehrentiteln wie „Botschafter“ bisher eher ungewöhnlich sind, Anm. der Red.), bestehe ich darauf, dass ich „Zafira“ und nicht nur „Zafir“ bin. Das ist für mich ein nicht unwesentliches Mittel der Bewusstseinsschaffung. Welche Rolle spielen die Kirchen im heutigen Palästina? Welche besondere Aufgabe haben sie?Die palästinensische Gesellschaft ist vielfältig und Christen sind ein integraler Bestandteil von ihr. Wir sind nicht vor ein paar hundert Jahren eingewandert, sondern wir waren immer schon da, wir sind die ersten Christen, wir sind die „lebendigen Steine“ und immer noch da, auch wenn die Zahl der Christen seit Jahren sinkt. Natürlich spielt die Kirche eine große Rolle bei uns, es gibt ein Mosaik von Kirchen und deren Traditionen, die in der Gesellschaft fest verankert sind. Die Kirchen sind nicht nur religiöse Institutionen. Mit all ihren Einrichtungen wie beispielsweise in den Bereichen Bildung, Altenarbeit, Krankenpflege, Soziales und Kultur dienen sie der gesamten Gesellschaft auf vielfältige Weise. Unserer politischen Führung ist sehr bewusst, dass die Kirche eine wichtige Rolle spielt und ein wichtiger Partner ist. Wir mischen uns natürlich nicht in die internen Angelegenheiten der Kirche ein, sondern suchen bewusst die Kooperation. So hat unsere Regierung beispielsweise ein präsidiales Komitee für kirchliche Angelegenheiten eingerichtet. Ich bin selbst Mitglied in diesem Komitee, welches sich auch um die Restaurierung der Geburtskirche kümmert, im Auftrag der drei Eigentümer Franziskaner, Griechisch-Orthodoxe und Armenier. Die Restaurierungsarbeiten haben im Oktober begonnen. Die Arbeit der Kirchen steht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Religiöse und historische Stätten, ob christlich oder muslimisch, müssen erhalten werden und bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit. Vor drei Jahren haben wir mit allen notwendigen Planungen und Vorbereitungen für die Restaurierung der Geburtskirche begonnen und jetzt beginnen die Arbeiten am Dach, die ungefähr ein Jahr dauern sollen. Es ist in einem sehr schlechten Zustand. Die Geburtskirche wurde über Jahrhunderte nicht restauriert, es ist also höchste Zeit.

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