Mit 18 Jahren erwachsen zu sein, ist heute selbstverständlich. Doch 1975 markierte eine Gesetzesänderung einen Wendepunkt für Millionen Jugendliche – mit weitreichenden Folgen.
Endlich 18 Jahre und volljährig sein – darauf fiebern junge Menschen bis heute hin. Denn wer erwachsen ist, darf selbst entscheiden: Wo möchte ich wohnen, was will ich werden? Egal worum es geht: Einer Zustimmung der Eltern bedarf es nicht mehr. Auf diese Eigenverantwortung mussten Jugendliche vor wenigen Jahrzehnten allerdings noch deutlich länger warten: In der Bundesrepublik galt man bis zum 1. Januar 1975 erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres als erwachsen.
Mit der Gesetzesänderung wurden vor 50 Jahren von einem auf den anderen Tag rund 2,5 Millionen Jugendliche zu mündigen Bürgern – einer davon war zum Beispiel Klaus Harnacke, 70 Jahre alt, aus Bad Honnef im nordrhein-westfälischen Rhein-Sieg-Kreis.
Der inzwischen pensionierte Lehrer stand damals kurz vor seinem 21. Geburtstag und hätte sich gewünscht, längst volljährig zu sein. “Ich empfand es schon als stark einschränkend, dass ich einerseits ein eigenverantwortliches Leben führte, andererseits aber nicht volljährig war”, erklärt er. Harnacke erlebte damals einen “krassen Widerspruch” und erinnert sich noch heute, wie er etwa an der Tür einer damals angesagten Disco in Bonn wegen seines Alters abgewiesen wurde.
Der gebürtige Sauerländer war mit 18 Jahren fürs Studium in die damalige Bundeshauptstadt gezogen. “Ich fand es unmöglich, dass ich einerseits die Freiheit hatte, von zu Hause wegzugehen, andererseits aber nicht mein Erwachsensein ausleben konnte.” Zum 1. Januar 1975 wurde Harnacke plötzlich volljährig – drei Monate vor seinem 21. Geburtstag. “Dadurch wurde mir dann genommen, meine Volljährigkeit feiern zu können”, bedauert er im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die Senkung der Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre wurde von vielen mit Ungeduld erwartet, wie aus einer Mitteilung aus dem Archiv des Deutschen Bundestags von 2014 hervorgeht. Anton Stark, damaliger CDU-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, erklärte demnach etwa, dass die 18- bis 21-Jährigen bereits in weiten Lebensbereichen selbstständig handeln würden; rund drei Viertel von ihnen hätten ein eigenes Erwerbseinkommen und bestimmten darüber auch weitgehend in eigener Verantwortung.
Der Bundestag beschloss die Senkung unter dem Kabinett Willy Brandt (SPD) bereits im März 1974 – und zwar mit großer Mehrheit, es gab kaum Gegenstimmen. Walter Scheel (FDP) war damals Finanzminister, sein Parteikollege Hans-Dietrich Genscher zuständig für das Innere und Helmut Schmidt (SPD) Finanzminister. Die CDU/CSU war in der Opposition. Die Sprecher aller Parteien begründeten ihre Zustimmung demnach vor allem mit dem Wandel in der Gesellschaft und der bestehenden Lebenswirklichkeit.
Auch Harnackes Frau Dorothee erinnert sich an die damaligen Debatten: Als 19-Jährige habe sie in der Fachschule für Sozialpädagogik lange die Vor- und Nachteile der Herabsenkung der Volljährigkeit diskutiert. “Das war auch unter uns Jugendlichen ein großes Thema”, berichtet sie. Ihr sei es durch die Gesetzesänderung ebenfalls genommen worden, ihre Volljährigkeit mit einem Geburtstag feiern zu können – ansonsten habe sie bis dahin keine Defizite gespürt. “Anders als mein Mann lebte ich noch Zuhause. Und einen Führerschein konnte man mit 18 Jahren trotzdem schon machen, und auf die Schützenfeste konnten wir auch gehen und feiern”, sagt sie. “Dafür brauchte ich die Volljährigkeit nicht.”
Heute ist es für 18-Jährige selbstverständlich, die Rechte und Pflichten eines Erwachsenen zu haben. Diskutiert wird vielmehr, das Wahlalter weiter zu senken – von 18 auf 16 Jahre. Bei der Wahl des Europäischen Parlaments durften 2024 erstmals 16-Jährige ihre Stimme abgeben. Auch bei Kommunal- und Landtagswahlen sind 16-Jährige je nach Bundesland schon wahlberechtigt. Die Ampelregierung hatte sich vorgenommen, das Wahlalter grundsätzlich auf 16 Jahre zu senken – also auch bei Bundestagswahlen. Bei den vorgezogenen Neuwahlen im Februar 2025 dürfen aber nach wie vor erst Menschen ab 18 Jahren an der Urne ihren Stimmzettel abgeben. Bei der folgenden Wahl des Bundestags könnte es dann schon anders aussehen.