“Dabeisein ist alles” – der olympische Gedanke gilt auch für das Buch “Olympia!”, denn das Erscheinen des Buches stand auf wackeligen Beinen. Der Grund: der Ukraine-Krieg. Doch jetzt gibt es das großartige Werk.
Von wegen, nur “höher, schneller, weiter”! Auch Geschehnisse abseits von Rekorden machen die Olympischen Spiele aus: persönliche Entbehrungen, politische Auswüchse oder gesellschaftliche Meilensteine. Das verspielte und inhaltreiche Kinderbuch “Olympia! Bewegende Momente – Besondere Geschichten” (Moritz Verlag) liefert unzählige Einblicke in die Spiele der Moderne.
“Olympia” sammelt nicht nur Geschichten, sondern ist selber eine: Das Buchprojekt entstand in der Ukraine – trotz aller Unwägbarkeiten in Folge des russischen Angriffskrieges. Die ukrainischen Autorinnen Iryna Taranenko und Marija Worobjowa trugen monatelang eine Vielzahl an Fakten zusammen; ein Grafikstudio aus Kiew verpasste dem Buch ein modernes Gesicht.
“Das war ein extremer Ritt”, sagt Moritz-Verleger Markus Weber im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wir mussten mit der Ungewissheit leben, ob alles wirklich klappt oder ein Drohnenangriff das Projekt stoppt.” Dieser Gedanke sei ihm in den letzten Tagen erneut gekommen, als er die schrecklichen Bilder der zerstörten Kinderklinik in Kiew sah. Nun resümiert Weber erleichtert: “Es ist gelungen.”
Rechtzeitig zu Spielen in Paris kam das großformatige Buch (28 mal 37,5 Zentimeter) in den Handel. Der in Frankfurt am Main ansässige Verlag greift immer wieder zu, wenn es um große Bücher geht: Das Landkartenbuch “Alle Welt” oder “Unter der Erde – tief im Wasser” mit seinen dicken Papierseiten sind Beispiele dafür. Nicht nur Kinder können darin stöbern, Dinge neu entdecken und sich an den einfallsreichen Illustrationen erfreuen.
Dieses olympische Wimmelbuch widmet sich auf jeweils einer Doppelseite einer Olympiade beziehungsweise einem Austragungsort der Olympischen Sommerspiele: von 1896 in Athen bis 2020 in Tokio. Zu Paris 2024 wird es im Nachgang eine Extra-Seite geben, abrufbar über einen QR-Code im Buch. Für eine zweite Auflage sei am Ende des Buchs jetzt schon Platz für “Paris” eingeplant worden, erklärt der Verlags-Chef.
Zunächst überrascht, dass nicht primär die Sportwelt im Fokus des Buches steht. Lediglich zu Beginn sind auf einer Seite die größten Olympioniken und ihre Rekorde zu finden. So werden beispielsweise die deutsche Kanutin Birgit Fischer, der legendäre finnische Läufer Paavo Nurmi oder der zuletzt überragende Sprinter Usain Bolt vorgestellt. Ansonsten nennt jeweils ein kurzer Fakten-Kasten die Details zu Rekorden und Medaillen der jeweiligen Spiele.
Im Mittelpunkt stehen die skurrilen, gesellschaftsrelevanten und auch nebensächlichen Geschichten der Sportler: Gold trotz Krankheit; kein Gold, weil das Finale sonntags war; Medaillen für Literatur und Kunst; Meuterei unter Wasserballern; erste trans Teilnehmerin…
80 Seiten umfasst “Olympia!”. Zu Beginn ist eine übersichtliche Zeittafel mit allen Austragungsstädten zu finden. Die Flaggen der drei wegen der Weltkriege abgesagten Wettkämpfe in Berlin (1916), Helsinki (1940) und London (1944) sind abgedunkelt gedruckt: Den drei vorgesehnen Spielen sind eigene Kapitel im Buch gewidmet. “Sie sind in einer düsteren Farbigkeit illustriert”, erklärt der Verlags-Chef. Traurige Ereignisse etwa über Athleten, die in den Krieg ziehen mussten, werden geschildert – aber auch Geschichten über Hoffnung, Vergebung und Frieden.
Für Weber ist dieses mit der Ukraine eng verknüpfte Buchprojekt ein Signal und eine “Herzenssache”. “Uns war es zum Beispiel wichtig, dass wir das Buch direkt aus dem Ukrainischen übersetzen lassen und nicht mit den Umweg über die englische Version.” Gleichwohl war dem Verlag bewusst, dass die Inhalte nicht tendenziös sein durften. “Deswegen waren wir speziell auf die Seite mit den Spielen 1980 in Moskau gespannt”, betont Weber. Eine neutrale Sichtweise sei gegeben: So sei es aus heutiger Perspektive angebracht, zum Beispiel auf Doping und damalige Lebensmittelknappheit einzugehen.
Der Verlag durfte beim engen Zeitplan auch die “deutsche” Brille nicht vergessen. “Wir haben natürlich die München-72-Seiten gründlich angeschaut”, sagt Weber. “Die ukrainischen Grafiker hatten in der Darstellung des tödlichen Attentats palästinensischer Terroristen auf das Israel-Team die Polizeiwagen als Ami-Schlitten gezeichnet. Das haben wir mit dem Hinweis zurückgegeben, dass damals die Polizei meist in einem Audi 80 unterwegs war.” Originalgetreu sind nun grün-weiße, kastige Polizeiwagen mit den vier markanten Ringen zu finden.