Kiel. Die kleine Kieler Redaktion des Straßenmagazins „Hempels“ hat viel zu feiern: Seit der ersten Ausgabe vor 25 Jahren im Februar 1996 hat sich die Auflage auf heute 20.000 Exemplare vervierfacht. Insgesamt 1500 Wohnungslose in ganz Schleswig-Holstein konnten sich seitdem über den Verkauf der Zeitung etwas dazuverdienen. Chefredakteur Peter Brandhorst ist einerseits stolz auf diesen Erfolg. Andererseits wünscht er sich, dass es Straßenmagazine in Deutschland nicht geben müsste.
Etwa 250 Frauen und Männer verkaufen derzeit zwischen Flensburg und Norderstedt das 40-seitige Heft, das monatlich erscheint. Die Verkäufer leben vom Hartz-IV-Satz (424 Euro), sind häufig in sozialen Schwierigkeiten und oftmals wohnungslos. Sie gehen durch Restaurants, stehen vor Supermärkten oder auf Wochenmärkten. 2,20 Euro kostet die Zeitung, 1,10 Euro gehen direkt an den Verkäufer.
Menschen auf dem Titel
Auf dem Titel ist immer ein Mensch zu sehen, um den sich der Aufmacher dreht. Das kann ein junger Unternehmer sein, ein fußballverrückter Lehrer oder auch ein Prominenter. Der „human touch“ ist Chefredakteur Peter Brandhorst wichtig. Geschichten über Menschen bleiben beim Leser hängen. Die Titelgeschichte wird ergänzt durch Interviews und aktuelle Meldungen, hauptsächlich aus dem sozialen Bereich.
Mit einer 48-seitigen Jubiläumsausgabe will die Redaktion im Februar die Geschichte des Magazins Revue passieren lassen und langjährige Verkäufer porträtieren. Den 87-jährigen Günther etwa, gelernter Möbelpacker aus Eckernförde, der mit dem Hempels-Verkauf seine schmale Rente aufbessert. Oder Hans (60) aus Husum, der über „Hempels“ wieder Anschluss in der Gesellschaft gefunden hat.
„Es freut mich, wenn Menschen über ‚Hempels‘ wieder auf die Füße kommen. Dafür mache ich den Job“, sagt Brandhorst. Viele bleiben lange bei „Hempels“. Durch gesundheitliche Einschränkungen können sie nicht zurück auf den ersten Arbeitsmarkt. Wenn Verkäufer den Absprung schaffen, erfährt Brandhorst das nicht immer. Oft verschwinden die Verkäufer einfach.
Begrenzter Leserkreis
Die erste Ausgabe im Februar 1996 hatten Obdachlose selbst geschrieben und geheftet. Sie hatten sich von dem Hamburger Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ inspirieren lassen, das 1993 an den Start gegangen war. Der Name „Hempels“ steht für die ungeordneten Lebensumstände der Verkäufer – in Anlehnung an die Redewendung „Hier sieht’s aus wie bei Hempels unterm Sofa“. Das Konzept lief gut, die ersten 5000 Stück waren schnell verkauft. Die Themen kreisten aber ausschließlich um Obdachlosigkeit und Arbeitsplatzverlust, der Leserkreis war begrenzt.
Auflage stark gestiegen
Vor 17 Jahren übernahm der ausgebildete Journalist und Soziologe Peter Brandhorst den Posten des Chefredakteurs. Der Hamburger professionalisierte das Blatt, erweiterte das Themenspektrum und steigerte die Auflage immens. Heute arbeitet er mit einem festen Redakteur, einer Grafikerin und freien Schreibern und Fotografen zusammen. Die Zeitung gehört dem Verein Hempels, der auch Träger weiterer sozialer Projekte ist. Der Verkauf des Magazins ist für die Wohnunglosen ein niedrigschwelliges Arbeitsangebot, durch das sie wieder Struktur in ihr Leben bringen können.
Glückwünsche kamen auch von der Vorwerker Diakonie aus Lübeck. Ursprünglich hatte Lübeck mit “Bessere Zeiten” ein eigenes Straßenmagazin. “Wir waren damals aber nicht in der Lage, regelmäßig ein professionelles Heft herauszugeben”, erinnert sich Vorwerker-Sprecher Lutz Regenberg, der damals “Bessere Zeiten” betreute. Über Monate hätten die Verkäufer das selbe Heft anbieten müssen. 2008 taten sich die Lübecker mit “Hempels” zusammen. Die Vorwerker-Beratungsstelle ist bis heute Anlaufpunkt für “Hempels”-Verkäufer.
Immer mehr Betroffene
„Anfangs hatte ich gehofft, dass wir nach einigen Jahren überflüssig sind“, sagt Brandhorst. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Aufmerksamkeit für die Not der Menschen sei zwar gestiegen, so der Journalist. „Es gibt aber immer mehr Betroffene.“ 10.000 Obdachlose und akut von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen leben heute in Schleswig-Holstein. „Hempels“ wird also vermutlich noch viele Geburtstage feiern. (epd)