„Dritte Orte in der Landeskirche“ – Von Baumhäusern und Feministinnen
„Mehr Innovation und weniger Verwaltung: so lautet die Idee, die hinter den sogenannten „Dritten Orten“ in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz steht. Für 2020/2021 hat die Landessynode der EKBO 1,5 Millionen Euro für neue und spannende spirituelle Projekte bewilligt. Nun hat eine neue Förderrunde begonnen.
Was sind Dritte Orte? Erste Orte sind die Kirchengemeinde am Ort, die Gemeinde, in der man wohnt, ein paar Kilometer weiter die Nachbarkirchengemeinde. An zweiten Orten geschieht Gemeinde in funktionalen Zusammenhängen, in Einrichtungen, Werken, offenen Bildungsprozessen, medialen Zusammenhängen. Dritte Orte von Gemeinde sind anders: Da sind Menschen, die sich an einem Ort, zu einer bestimmten Zeit zusammenschließen und geistlich neu aufbrechen. Dritte Orte sind Innovationsräume kirchlichen Lebens – nicht selten institutionskritisch – die innovative Konzepte entwickeln, dabei immer bezogen auf einen ganz bestimmten Kontext und mit ihrem Umfeld kooperieren. Sie haben eine konkrete Zielgruppe im Blick und sind durch ihre Anziehung, Ausstrahlung und Präsenz der Botschaft des Evangeliums eine notwendige Ergänzung zu ersten und zweiten Orten und mit diesen vernetzt. (Quelle: EKBO)
von Cornelia Saxe
„Dritte Orte“ zeichnen sich durch kreative Ideen aus. Sie stehen neben Gemeinden und kirchlichen Institutionen und werden seit 2020 von der EKBO besonders gefördert. In Zeiten steigender Austrittszahlen und überalterter Gemeinden ist der Fonds mit der stattlichen Summe von 1,5 Millionen Euro ausgestattet. Pröpstin Christina-Maria Bammel hat den Vorsitz der Jury inne. Sie entscheidet zwei Mal im Jahr mit einem Gremium aus Kirche und Gesellschaft über die Anträge. In der dritten Förderphase gehen nun vier neue Projekte an den Start. „Jede Runde ist anders, aber immer von hoher Kreativität geprägt“, sagt Pröpstin Christina-Maria Bammel. Dem Ausschuss sei es wichtig, solche Anträge auszuwählen, die nach einer Anschubfinanzierung auf eigenen Beinen stehen, die nachhaltig sind und sich mit Kooperationspartnern vor Ort vernetzen. Es gehe ausdrücklich nicht um die Förderung einer „One-Man-Show“, betont sie.
1. Konzept
Feministisches Youtube-Talkformat
Kurzweilig und frech Das digitale Youtube-Talkformat „feministisch fromm FREISCHNAUZE“ erhielt 20 000 Euro. Dahinter stecken drei junge Berlinerinnen. Im Trailer verkünden die Vikarinnen Lena Müller und Maike Schöfer sowie die Gemeindepädagogin Lea Garbers selbstbewusst: „Kirche ist langweilig und verstaubt? Altbacken und männlich? Nicht lustig und unpolitisch? Hier nicht!“ Acht freche Folgen haben sie schon produziert. Auf einer pink besprayten Kirchenbank fragen sie lässig und mit Stil interessante Gesprächspartnerinnen wie eine Goldschmiedin oder eine Bestatterin nach ihrem Beruf und ihrem Leben aus – und konfrontieren sie auch mal mit einem Bibel-Quiz. „Wir freuen uns wahnsinnig über das Fördergeld“, sagt Lena Müller, Vikarin in Berlin-Tiergarten. Die bewilligten Mittel wolle man vor allem in Technik und Honorare für eine Crew aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen stecken, die die Produktion praktisch umsetzt. Außerdem denke die Gruppe auch darüber nach, wie man das digitale Format in die analoge Welt holt.
2. Konzept
Baumhaus-Projekt „Talenteturm“
„Ich bin zum Dienen geboren“, sagt der Hausleiter und Verwalter des CVJM-Camps am Storkower See in Brandenburg bei der Präsentation des sogenannten „Talenteturms“. Er soll ein Ort der Begegnung in der Natur werden. Mit dem bewilligten Geld von 25 000 Euro will Ruben Loewe gemeinsam mit seinem Team und den Jugendlichen die erste Plattform eines mehrstöckigen Baumhauses auf dem Gelände bauen. Er spricht von einer „Kulinarikplattform“, auf der es einen Pizzaofen und weitere Kochmöglichkeiten für Konfirmanden und andere Gruppen geben soll. „Daran überzeugt der Ansatz, dass sich hier Jugendliche unter freiem Himmel treffen und selbst aktiv werden, sich handwerklich praktisch einbringen und das mit ihrer Glaubens- und Lebenspraxis verbinden können“, erklärt Christina-Maria Bammel. Dem Projekt wurde mit der Förderung auferlegt, ein Netzwerk mit weiteren Förderern zu knüpfen. Loewe ist im GKR der Kirchengemeinde Storkower Land und will den Kirchenkreis, die Schule und die Feuerwehr mit ins Boot holen.
3. Konzept
Pilgern in der Stadt
Die Berliner Kirchengemeinde St. Jacobi in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg trägt eine Anspielung auf den Jacobsweg schon im Namen. Sie hat sich in der aktuellen Runde erfolgreich mit einem Konzept für ein Pilgerzentrum beworben. Pfarrer Christoph Heil und Thomas Knoll, Prädikant in der Gemeinde, wollen in ihrer Kirche einen Treffpunkt schaffen, an dem sich Stadt-Pilgerinnen und -Pilger treffen, feiern und Wanderungen planen können. Einen monatlichen Pilgerstammtisch gibt es bereits, der nach den schwierigen Zeiten von Corona nun wieder in Schwung kommen soll, sagt Heil. Bereits am 1. August will man das Zentrum eröffnen und sich mit ähnlichen Orten in Hamburg, Nürnberg und Zürich verbinden. „Mit der Förderung von 20 000 Euro werden wir unser Netzwerk weiter aufbauen und mit der Pilger-Vesper, einem Abendgebet, starten“, erklärt er.
4. Konzept
Klosterpforte auf Rädern und „Segen to go“
„Segen to go“ Mit dem Motto „Mehr Segen für den Kiez“ hat das Stadtkloster Segen in Berlin-Prenzlauer Berg die Jury überzeugt – unter anderem mit der Idee einer „Klosterpforte auf Rädern“ in Form eines renovierten Bauwagens. Dieses „Segensmobil“ könne Märkte im Bezirk besuchen, hofft Evamaria Bohle vom Konvent, stehe aber in der Regel vor dem Kloster an der Schönhauser Allee und werde „verlässlich besetzt“ sein. Es sei ein niedrigschwelliges Angebot für Informationen, zum Innehalten oder für einen „Segen to go“, erklärt Bohle. Das Stadtkloster Segen hat sich zum zweiten Mal beworben. In der letzten Runde ging es leer aus und wurde nun mit der höchsten Summe von 50 000 Euro bedacht. Im Konvent leben derzeit zehn Menschen auf der Grundlage des christlichen Glaubens zusammen. Mit Gebetszeiten, Gottesdiensten und Angeboten zur Spiritualität leisten sie einen wichtigen Beitrag für das christliche Leben im Bezirk. Das Projekt geht auf die Schweizer Comunität Don Camillo zurück, finanziert sich weitgehend aus Spenden und bezieht keine Kirchensteuern. Die Jury unterstützt damit die vielfältigen Aktivitäten einer Gemeinschaft, die auf alten christlichen Idealen beruht und die heute wieder sehr fortschrittlich erscheint.