Von Harald Mallas
Eine ernüchternde Zahl: Nur 39 Prozent aller Evangelischen in Deutschland glauben an ein Leben nach dem Tod. Dies ergab eine repräsentative Befragung des Instituts INSA-Meinungstrend 2012. Die Gründe können unterschiedlich sein. Vielen ist ausschlaggebend: Es gibt keine Beweise für eine Welt hinter der Welt – wenn überhaupt, nur eine Ahnung davon. Ansonsten gilt oft der bodenständige Satz: Von dort ist noch niemand zurückgekehrt!
Ein weiterer Grund scheint der zu sein, sich lieber mit der sichtbaren Wirklichkeit zu beschäftigen als mit einer kommenden Welt. Hier und jetzt geschieht das wahre Leben. Die unsichtbare Zukunft kann warten – oder ausfallen.
Zudem prägen unterschiedlichste Bilder von einem Ewigen Leben das Denken. Etwa dies: „Die Ewigkeit muss doch furchtbar langweilig sein.“ Für eine von beständigen Reizen überflutete Gesellschaft ist das keine verlockende Perspektive, im Gegenteil.
Da aber bekanntlich noch niemand aus der Ewigkeit zurückgekehrt ist, um authentisch zu berichten, könnten die Vorstellungen von immerwährender Langeweile – untermalt von stimmgewaltigen Engelchören und himmlischen Harfensymphonien – auch irreführend sein.
Ewigkeit schon jetzt und nicht erst am Ende
Anselm Grün, bekannter Buchautor und geistlicher Leiter, beschreibt in einem Interview seine Vision vom Leben danach so: „Ewiges Leben ist Himmel, Glück, Freude, Gemeinschaft, Ehe, Liebe, Vertrautheit, viel Körper, viel Wärme, viel Gedichte, viel Musik, vor allem Mozart und Marilyn Monroe, die ist auch dabei.“
Vielleicht würde sich das ambivalente Verhältnis zum Ewigen Leben klären lassen, wenn man die Ewigkeit nicht auf die lange Bank schiebt. Wie wäre es, wenn Ewigkeit schon jetzt ist und nicht erst am Ende? Menschen tragen diese Vorstellung bereits in sich, etwa wenn sie augenzwinkernd von Verstorbenen reden, die jetzt auf uns herabschauen, es also schon in die Ewigkeit „geschafft haben“. Die himmlische Welt ist bereits um uns. Und in ganz besonderen Momenten nehmen unsere vielfach ungeübten Sinne sie wahr. Hat dies Dietrich Bonhoeffer erlebt, als er in Erahnung seines Endes dichtete: „So lass uns hören jenen vollen Klang / der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet / all deiner Kinder hohen Lobgesang.“?
Ewigkeit – jetzt und hier! Am besten geerdet und mit beiden Beinen mitten im Leben. Christen wünschen sich nicht hinweg aus dieser Welt, sondern halten hier Ausschau nach dem Reich Gottes. Es gibt noch viel zu tun auf der geschundenen Erde. Aber gerade deshalb kann die Vision von einer anderen Welt – die für die einen schon da ist und für die anderen erst noch kommt – Licht in manche Trostlosigkeit und Verzweiflung werfen. Sie kann ein Grund zu tiefer Gelassenheit sein.
Der Philosoph Ernst Bloch soll einmal mit 92 Jahren gefragt worden sein: „Na, Professor, Prinzip Hoffnung im Blick auf den Tod?“ Und er soll geantwortet haben: „Neugier, Jagdtrieb, Flügelschlag.“