Wie viel Einmischung der Kirchen in die Politik ist erlaubt? Manche CDU-Spitzenpolitiker fordern laute Mahnungen, andere stille Orientierung. Nun haben drei Politiker Stellung bezogen.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther fordert von den Kirchen ein klares Einmischen in gesellschaftliche Debatten und eine Haltung zu zentralen Fragen von Demokratie und Menschlichkeit. In Gastbeiträgen für die Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse äußerten sich neben Günther auch Karl-Josef Laumann und Jens Spahn (alle CDU) zur Rolle der Kirchen – mit konträren Erwartungen.
“Kirche darf nicht schweigen. Sie ist eine moralische, eine ethische Instanz – es ist notwendig, die Kirche zu hören”, schreibt Günther. Die Kirche müsse selbst entscheiden, “wozu sie etwas sagen und wo sie die Finger in die Wunde legen möchte”. Es sei nicht ihre Aufgabe, der Politik zu gefallen. Mit Blick auf die deutsche Geschichte erinnert er daran, dass zuerst die Demokratie und dann die Menschlichkeit abgeschafft worden seien und damals zu viele in diesem Land geschwiegen hätten. Heute müsse die Kirche “klar und deutlich machen, wo sie steht, und darf nicht zurückweichen”. Sie müsse laut sein, wenn Menschenrechte, Zusammenhalt und Gerechtigkeit infrage gestellt würden.
Auch Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Laumann schreibt: “Ich halte es für unverzichtbar, dass sich die Kirchen in politischen Fragen zu Wort melden.” Nicht partei- und selten tagespolitisch, aber mit dem Anspruch, “unsere Gesellschaft aus dem Glauben heraus mitzugestalten”. Die christliche Soziallehre biete eine “großartige Gesellschaftsphilosophie”, die auf Solidarität und Subsidiarität basiere.
Als Arbeitsminister betont Laumann: “Die Kirchen sollten sich auch bei der Gestaltung der Arbeitswelt einbringen. Für das Christentum war immer wichtig, dass Arbeit nicht nur dem Broterwerb dient, sondern auch mit Sinnstiftung und Gerechtigkeitsfragen verbunden ist.” Systeme müssten für die Menschen da sein, nicht die Menschen für die Systeme. Wo das vergessen werde, sei die Stimme der Kirche wichtig.
Spahn, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte hingegen Zurückhaltung der Kirchen: Sie dürften sich nicht zu einer politischen Kraft machen, sondern sollten “ein klares Angebot der Orientierung bieten – aus sich heraus und ohne politische Agenda”. Spahn sieht die Kirchen in einem Spannungsfeld zwischen Relevanz und Zurückhaltung. “Die Kirche befindet sich scheinbar in einem Dilemma: Ist sie leise, scheint sie an Bedeutung zu verlieren; mischt sie sich ein, setzt sie sich dem Vorwurf aus, zu politisch zu sein.” Der Glaube müsse jedoch “in innerer Besonnenheit und Gewissheit” ruhen, ohne in politischen Aktivismus abzudriften.