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Union uneins über politische Äußerungen von Kirchen

In der Debatte über politische Stellungnahmen der Kirchen herrscht Uneinigkeit innerhalb der Union. Während die frühere deutsche Vatikan-Botschafterin, Annette Schavan, die Kritik von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) am politischen Engagement der Kirchen für falsch hält, bezeichnete der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU) sie als „absolut zutreffend“. Parteikollege Armin Laschet betonte, die Kirchen könnten nicht unpolitisch sein.

Klöckner hatte sich in der „Bild am Sonntag“ kritisch über Wortmeldungen der Kirchen zu tagesaktuellen Themen geäußert. Wenn Kirche nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe, „dann wird sie leider auch austauschbar“, sagte sie der Zeitung. „Ich meine: Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer.“ Von Kirche „erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU) sagte am Dienstag in Berlin, je konkreter sich die Kirchen zu tagespolitischen Themen positionierten, desto mehr würden sie zu politischen Akteuren. Als solche müssten sie in einer demokratischen Gesellschaft nicht nur mit Zustimmung, sondern auch mit Widerspruch rechnen.

Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet sagte hingegen dem Fernsehsender phoenix: „Eine Kirche kann nicht unpolitisch sein.“ Mit ihrer Botschaft werde sie zugleich immer „ein Ärgernis sein, und das ist auch gut so“. Wenn aus der christlichen Botschaft abgeleitet werde, „dass man die Welt verändern soll, zum Guten verändern soll, die Welt gestalten soll, dann ist das immer eine politische Botschaft“, sagte der frühere Kanzlerkandidat der Union.

Die frühere Bildungs- und Forschungsministerin Schavan betonte: „Die Vorstellung der Politik, sie könne der Kirche sagen, wozu sie sich äußern soll, darf es nicht geben.“ Sie verwies auf die Bedeutung von Papst Johannes Paul II. Er sei ein „zutiefst politischer Papst“ gewesen und habe einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Europa wiedervereinigt wurde. Auch sie habe Situationen erlebt, in denen ihr nicht alles gepasst habe, was die Kirche gesagt habe. Doch Kirche müsse „so etwas wie ein Sparringspartner für die Parteien sein, die das C in ihrem Namen tragen“, sagte die frühere Botschafterin im Vatikan.

Kritik an Klöckner kam am Dienstag erneut von SPD und Grünen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte der „Rheinischen Post“ (Mittwoch), Christinnen und Christen „haben sich immer politisch eingemischt. Und das ist gut so.“ Das C im Parteinamen „verträgt nicht die Aufforderung an Geistliche, keine Stellung zu beziehen und sich auf Seelsorge zu beschränken“, sagte Miersch an die CDU gerichtet.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv, Klöckner wünsche sich offenbar, dass sich die Kirchen konservativ äußern, etwa zum Thema Abtreibung. „In dem Moment, wo es darum geht, Kernfragen auch des Christentums, nämlich die Bewahrung der Schöpfung, den Klimaschutz, den Umweltschutz in den Mittelpunkt zu stellen oder die Gleichheit aller Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, da hat sie Abwehrreaktionen“, sagte Audretsch über die Parlamentspräsidentin.