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Bundestag beschließt Gesetz gegen “Gehsteigbelästigung”

Die Bilder sind bekannt: Abtreibungsgegner vor Arztpraxen, die Schwangere bedrängen. Wie oft das passiert, ist unklar. Künftig sollen solche “Gehsteigbelästigungen” bestraft werden.

Der Bundestag hat am Freitag ein Gesetz zum Verbot einer sogenannten Gehsteigbelästigung verabschiedet. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

SPD, Grüne und FDP haben den Begriff bereits in ihrem Koalitionsvertrag benutzt. Sie verstehen ihn als Sammelbegriff für Protestaktionen von Abtreibungsgegnern vor Beratungsstellen, Krankenhäusern oder Arztpraxen, die Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten oder Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Dabei werden schwangere Frauen oder Ärzte teilweise auch beschimpft. Eine der ersten, die den Begriff offiziell verwendete, war die Berliner Juristin Ulrike Lembke im Jahr 2017. Sie wollte damit nach eigenen Angaben den Begriff “Gehsteigberatung” ablösen, der sich zuvor eingebürgert hatte.

Es handelt sich um Abtreibungsgegner, die häufig aus einem sehr konservativen bis fundamentalistischen christlichen Milieu kommen. Dazu gehören unter anderem Vertreter der US-amerikanischen christlichen Organisation “40 Days For Life”.

Die Gesetzgebung dazu ist in Paragraf 218 im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Demnach ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig. Er bleibt aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat und ein Beratungsschein ausgestellt wurde. Zwischen Beratung und Eingriff müssen mindestens drei Tage vergehen. Innerhalb der Bundesregierung gibt es Bestrebungen für eine Liberalisierung. Dass es zu einem konkreten Gesetzentwurf kommt, ist aber bisher nicht absehbar.

Das Gesetz soll allzu heftige und bedrängende Proteste verhindern. Grundsätzlich sollen Demonstrationen laut Gesetz weiterhin möglich sein, allerdings mit einem Abstand von mindestens 100 Metern zu Beratungsstelle oder Arztpraxis.

Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Dazu gibt es keine belastbaren Zahlen. Es kommt aber in größeren Städten wie in Berlin oder Frankfurt am Main immer wieder zu Gerichtsprozessen, weil Abtreibungsgegner gegen örtliche oder zeitliche Begrenzungen ihrer Demonstrationen klagen und in der Regel Recht bekommen.

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Die Union äußerte mit Blick auf das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit Zweifel am Gesetz. Auch einige Juristen haben Bedenken, ob der Entwurf verfassungsgemäß ist. Die AfD lehnt die Regelung in Gänze ab. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte der katholische Familienbischof Heiner Koch, er halte einen Spießrutenlauf von Frauen vor Beratungsstellen und Abtreibungspraxen für unzumutbar. Daher sei er durchaus aufgeschlossen für eine gesetzliche Regelung. Die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) warnt dagegen, eine solche Reform gefährde die Grundlagen der Demokratie. Ähnlich äußert sich der Verband Christdemokraten für das Leben (CDL).