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Brutaler Taktiker der Macht: Irans Oberster Führer Ali Chamenei

Terror und Unterdrückung blieb Ali Chamenei immer treu. Der iranische “Gottesstaat” wurde unter dem Ayatollah zur blutigen Farce. Nun könnte der Oberste Führer sein Land und sich selbst endgültig in den Abgrund reißen.

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und dem Iran ist dessen Oberster Führer Ali Chamenei abgetaucht. Glaubt man US-Präsident Donald Trump, dann wissen seine Feinde “genau”, wo er sich aufhält, und könnten ihn jederzeit töten – allerdings “zumindest nicht im Moment”, so Trump zuletzt auf seiner Plattform Truth Social. Das hindert den 86-jährigen Chamenei nicht, Drohungen und Durchhalteparolen zu predigen: Der Iran werde sich niemals ergeben, antwortete er am Mittwoch in einer Videobotschaft auf Trumps Aufforderung zur Kapitulation. Unterdessen wachsen Spekulationen, eine Ablösung Chameneis könnte bald erfolgen.

Wer ist der Mann, der aus westlicher Sicht längst als Inkarnation des Bösen gilt – und offenbar bereit ist, sein Land notfalls in den Abgrund zu reißen? Die meisten der rund 90 Millionen Iranerinnen und Iraner haben nie einen anderen Staatschef erlebt als den Ayatollah mit dem schwarzen Turban, der ihn als Sayyid ausweist, einen angeblichen Nachkommen des Propheten Mohammed.

Das dunkle Charisma und die religiöse Autorität seines Lehrers und Förderers Ayatollah Chomeini besaß Chamenei nie, dafür Machtinstinkt und Talent als Redner. Am 4. Juni 1989, einen Tag nach Chomeinis Tod, wählte ihn der Expertenrat überraschend zu dessen Nachfolger als “Revolutionsführer”. Den dazugehörigen religiösen Ehrentitel eines Ayatollahs erhielt er nur unter Murren der schiitischen Geistlichkeit.

Zuvor hatte Chamenei als Staatspräsident nach der Islamischen Revolution 1979 die Umwandlung des Iran in einen “Gottesstaat” rigide vorangetrieben. Eifrig forderte er Steinigungen und Auspeitschungen gemäß der Scharia und die Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen Leben. Deren Protest gegen den Tschaddor sei gefährlicher als Prostitution.

Persönliche Opfer – seit einem Sprengstoffanschlag durch Oppositionelle konnte er seinen rechten Arm nicht mehr bewegen – spornten seinen Fanatismus nur an. Auch der mörderische Golfkrieg gegen den Irak (1980-1988) mit bis zu 500.000 iranischen Toten bestärkte Chamenei darin, die Islamische Republik müsse gegen eine Welt von Feinden verteidigt werden.

Chameneis Weg in den politischen Islam begann früh. 1939 in der Pilgerstadt Mashhad in eine arme, tiefreligiöse Familie geboren, schloss er sich jung dem Widerstand gegen das westlich orientierte Schah-Regime an. Mehrmals verhaftete und folterte ihn die berüchtigte Geheimpolizei Savak. Chameneis Lichtgestalt wurde Chomeini, bei dem er in der Heiligen Stadt Qom studierte.

Dessen Staatskonzept einer “Herrschaft der Rechtsgelehrten” bis zur Wiederkehr des zwölften Imams war im schiitischen Islam umstritten. Die Massen aber hofften auf das Heilsversprechen sozialer Gerechtigkeit. In Wahrheit wechselten nur die Folterknechte und Profiteure, erstickte die persische Kulturnation im Würgegriff islamistischer Despotie. Chamenei wurde durch die Jahrzehnte ihr eigentliches Gesicht.

Als Revolutionsführer in Allahs Auftrag und auf Lebenszeit thront er über den staatlichen Institutionen. Mit seinem Einfluss auf den Wächterrat, der die Gesetze prüft, kontrollierte Chamenei stets die Politik – und mit der ihm ergebenen Revolutionsgarde die Straße. Reformer in Regierung und Parlament ließ er aus taktischen Gründen zu – und bremste sie wieder aus. So folgte auf den moderaten Staatspräsidenten Mohammad Chatami nach Wahlbetrug 2009 der Hardliner Mahmud Ahmadinedschad, auf den ultrakonservativen “Blutrichter” Ebrahim Raisi der eher gemäßigte Massud Peseschkian.

Erste Massenproteste ließ Chamenei 2009 wie alle späteren Volksaufstände niederschießen, zuletzt 2022 mit landesweit Hunderten Toten und Zehntausenden Verhafteten. Gegen Armut, Korruption und die Kleptokratie der Eliten und Revolutionsgarden ging Chamenei weniger energisch vor. Das Versprechen vom sozial gerechten Gottesstaat wurde so endgültig zur leeren, blutigen Hülle. In der Bevölkerung ist der Diktator heute weitgehend verhasst.

Ausgerechnet der Iran gilt heute als eine der säkularsten Gesellschaften in der islamischen Welt. Gerade mal 40 Prozent bezeichneten sich 2021 in einer westlichen Studie als gläubige Muslime. Nur 15 Prozent befürworteten die Todesstrafe auf Basis der Scharia – während das Regime noch 2024 mehr als 900 Menschen hinrichten ließ.

Auch Chomeninis Todes-Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie nahm Chamenei nie zurück. Der “schwarze Pfeil des Todes” sei abgeschossen, tönte er damals. Im August 2022 verlor Rushdie bei einem Anschlag durch einen schiitischen Fanatiker in den USA ein Auge.

Außenpolitisch setzt der Oberste Führer des Iran fast durchgehend auf die Konfrontation mit Israel und den USA. Das iranische Atomprogramm nach der Jahrtausendwende sollte den Aufstieg zur Großmacht ebnen, dem Regime aber auch Sicherheit vor Angriffen geben. 2015 bewogen diplomatischer Druck und westliche Sanktionen das Regime zum Einlenken.

Inwieweit es seither weiter an der Bombe arbeitete, ist derzeit umstritten. Doch immer beschwor Chamenei in seinen Predigten und Reden die “Mission der Islamischen Republik”, das “zionistische Krebsgeschwür” Israel von der Landkarte zu tilgen. Nun könnte ihm diese Mission zum Verhängnis werden.