Der Schulstart hat stets etwas von Saisoneröffnung für die Gesellschaft nach der Sommerpause. Das ist irgendwie schön, dass es in einer Zeit, in der so viel oft nicht mehr gemeinsam ist, etwas gibt, das im Zeittakt zusammenhält: die Bildung, das Lernen. Wie wichtig ist das in einer sich rasant verändernden Welt – Lernen quasi als erste Wahl: Veränderungen begreifen, Zukunft ermöglichen, Welten erschließen, eins und eins und noch deutlich mehr zusammenzählen können.
Es macht uns Menschen aus, dass wir lernen und dadurch andere werden können. Oft haben wir ja auch wahrlich keine andere Wahl, etwa, wenn wir in einer Welt des Klimawandels das Notwendige erkennen und endlich auch tun wollen. Schöpfung bewahren steht unter den Bildungsherausforderungen ganz oben. Niemand hat das so sehr ins Bewusstsein gepflanzt wie die Bewegung, die vor fünf Jahren den Schulbetrieb aufgebrochen hat: Fridays for Future. Das ist Wahl – und, ja, auch Pflicht zugleich.
Sich austauschen über das, was trägt
Das gilt auch für den Religionsunterricht an den Schulen. Dass er als Fach Wahl ist, ist mehr als sinnig. Religion, die nicht in aller Freiheit erfahren wird, würde sofort zum Widerspruch in sich. Religion spricht nicht nur von Freiheit, sie zu ermöglichen, ist ihr Wesen. Diese Einsicht haben die modernen, säkularen Gesellschaften über Jahrhunderte erkämpft.
Allerdings: Genau das reflektieren zu können, ist so etwas wie vornehmste Aufgabe. Sich austauschen über das, was mich trägt, worauf ich im Letzten vertraue, woran mein und dein Herz hängt – Glaube sagt: woran du dein Herz hängst, da ist dein Gott – sich über die verschiedenen Perspektiven darauf austauschen zu können, ihre Verschiedenheit zu tolerieren, begrüßen, als Reichtum erleben, sich darin weiter zu entwickeln.
Religiöse Bildung tut gut
Ich bin überzeugt, dass religiöse Bildung not- und guttut, gerade auch im Blick auf die Dinge, bei denen wir keine Wahl haben: geboren werden, sterben. Wie wollen wir das gestalten, gesellschaftlich, was geht und was geht nicht zwischen Lebensanfang und -ende?
Ach, es gibt wahrlich viele gute Gründe für Religionsunterricht – und zwar nicht nur für christlichen, sondern selbstverständlich für jede Religion. Es ist doch immer auch Friedensunterricht, kein Glaube ohne Friedenssehnsucht, das spüren wir in dieser Zeit der Zeitenwende umso mehr. Und es ist immer auch Demokratieunterricht, denn die Annahme des anderen ist Fundament eines Glaubens, in dem jeder und jede die gleiche Würde von Gott zugesprochen bekommt. In Zeiten wachsenden Rechtspopulismus‘ ist gebildetes Vertrauen das Mittel der Wahl, ein gutes Gegengift.
Missionsgedanken sind tabu
Ich freue mich, dass der Berliner Senat und die Bildungssenatorin das Thema Religionsunterricht auf die Agenda gesetzt und sich vorgenommen haben, den Religionsunterricht zukünftig im Wahlpflicht-Bereich anzusiedeln. So wird sichtbar, dass die Gesellschaft ein ureigenes Interesse daran hat, dass die zentralen Fragen des Lebens gemeinsame, öffentliche Bildung erfordern, dass das bitte nicht nur privat für sich oder an Stammtischen oder Hinterhöfen verhandelt werden soll.
Es geht ja nicht um Missionieren an Schulen. Mancher hat Sorge, hier würden Glaubensgrüppchen privilegiert. Nein, religiöse Bildung dient der Freiheit, dem interreligiösen Gespräch, den Einzelnen, den Vielen, auch da, wo zu dieser Freiheit Kritik gehört, notwendige an Zusammenhängen von Gewalt, Unfreiheit oder Schöpfungszerstörung.
Dem gilt es entgegenzutreten – mit guter Bildung. Eine andere Wahl haben wir nicht. Segen für alle, die daran arbeiten, als erstes die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Und Segen besonders für alle Schülerinnen und Schüler zum Start. Möge es eine Saison, ein Jahr zum Segen werden.