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Bildung und Arbeit

In Berlin berieten Experten darüber, wie der Hunger bekämpft werden kann. Nicht alle sind mit ihren Ideen einverstanden

Odile Jolys

BERLIN – Wenn Paul Zaake eine E-Mail an seine Geschäftspartner schicken will, braucht es manchmal eine Stunde, bis die Nachricht übertragen wird. Das Internet hakt, die Stromverbindung fällt oft aus. Zaake ist ein junger Unternehmer aus dem Hinterland Ugandas. Seine Firma verarbeitet Mangos. Ende April ist er nach Berlin gekommen, um seine Geschichte von einer Chance und von den Problemen auf dem Land vorzustellen.
Es sind Menschen wie Zaake aus Uganda, um deren Erfahrungen es auf der zweitägigen G-20-Konferenz „Eine Welt ohne Hunger“ ging. Ihnen soll der Zugang zum Weltmarkt erleichtert werden – zu fairen Bedingungen. Dafür hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bei dem Treffen Vertreter der Industrienationen und von afrikanischen Staaten, den Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, oder Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus versammelt. Gemeinsam suchten sie nach Lösungen für die harten Lebensbedingungen im ländlichen Raum.
In diesen Regionen der armen Länder entscheide sich die Zukunft der Menschheit, sagte Müller in seiner Eröffnungsrede. Entscheidende Punkte seien der Zugang zu Landrechten und eine entsprechende Infrastruktur. Die Menschen bräuchten Schulen, Krankenhäuser und Bildungsangebote. Doch der Kampf gegen Armut und Hunger könne nur gelingen, wenn es eine globale Agrar- und Energiewende gebe, aber auch faire Handelsstrukturen. Weltweit hungern rund 800 Millionen Menschen, rund 70 Prozent leben auf dem Land.
Welche Punkte im Kampf gegen Hunger und Armut wichtig sind, haben internationale Wissenschaftler, Entwicklungsexperten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in der „Charta von Berlin“ zusammengefasst, die sie an Minister Müller überreichten (siehe Kasten unten). Sie fordern darin die G-20 auf, bis 2025 mindestens 600 Millionen Menschen aus Hunger und Unterernährung zu befreien.

Mittelständische Investoren gesucht

„Die große Kunst wird sein, auch mittelständische Privatinvestoren in den ländlichen Raum zu holen“, sagte der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Stefan Rebmann.  Auch den Grünen fehlen in der Charta konkrete Vorschläge. „Die Bundesregierung muss ihren Worten endlich Taten folgen lassen“, sagte der Sprecher für Entwicklungspolitik der Fraktion, Uwe Kekeritz.
Luise Steinwachs, Leiterin des  Referats Grunddienste und Ernährungssicherheit bei „Brot für die Welt“, bedauert auf UK-Nachfrage, dass die Charta einem Ansatz verpflichtet sei, der auf neue Methoden wie Gentechnik oder die Digitalisierung von Landwirtschaft setze. Die internationale Dimension werde kaum betrachtet. Probleme wie der Verlust von Steuereinnahmen der armen Länder durch internationale Steuer- und Kapitalflucht – und damit fehlende Mittel für Gesundheit, Bildung, Arbeit – seien nicht auf der Agenda gewesen.
Weiterhin beklagt die „Brot-für-die-Welt“-Fachfrau, dass die Dominanz internationaler Nahrungsmittelkonzerne und deren aggressives Marketing auch in armen Ländern (Stichwort „Supermarketisierung“) nicht betrachtet worden sei. Zwar begrüßt sie, dass das Thema der ländlichen Entwicklung durch die Charta  und die Berliner Veranstaltung „mehr Prominenz“ erhalten habe, allerdings sei „noch sehr offen, welche Rolle die Charta im G-20-Kontext überhaupt spielen wird“.
Für die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, ist die Charta ein Auftrag an die G-20. Hungerbekämpfung sei auf Dauer nur möglich, wenn die Menschen gut ausgebildet seien. Sie appellierte an die afrikanischen Regierungen, die Maßnahmen zu unterstützen.
Laut Entwicklungsministerium werden in Afrika bis zum Jahr 2030 etwa 440 Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. „Wir müssen in die Jugend investieren“, sagte der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, Adesina, bei der Konferenz. „Afrika ist der Markt der Zukunft.“ Dem ugandischen Unternehmer Zaake würde fürs erste eine bessere technische Ausstattung helfen. epd/hei